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Er tritt ab - und das ist gut so

Von Alexander Dworzak

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Klaus Wowereit hatte seine Verdienste als Berliner Bürgermeister. Doch sein Rücktritt war mit dem milliardenteuren Flughafen-Desaster überfällig.


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Wie heißen die Bürgermeister von München und Hamburg? Verziehen wird, wer Dieter Reiter und Olaf Scholz (beide SPD) nicht kennt. Bei einer falschen Antwort oder gar keiner Ahnung ob des obersten Berliners erhielte man dagegen schiefe Blicke. Der Name Klaus Wowereit ist auch in Österreich vielen politisch Interessierten geläufig. Seine Sprüche "Ich bin schwul - und das ist gut so" oder "Berlin ist arm, aber sexy" sind Legende. Bloß sind sie 13 beziehungsweise knapp 11 Jahre alt.

Seit 2001 amtiert der flexible Sozialdemokrat - er regierte erst mit den Grünen, dann mit der linken PDS und nun mit der konservativen CDU - als Berliner Bürgermeister. Wowereit gab dem einst noch innerlich geteilten und um Anerkennung ringenden Berlin eine Identität. Der mittlerweile 60-Jährige setzte die 3,5-Millionen-Metropole, deren Viertel und Bewohner zwischen muffigem Provinzialismus und schäbigem Schick oszillieren, zwischen linksalternativer Szene und rechten Plattenbau-Hochburgen, wieder auf die Landkarte der bedeutendsten europäischen Städte.

Dennoch kam der am Dienstag verkündete Rücktritt Wowereits, der am 11. Dezember vollzogen wird, für die SPD keinen Tag zu früh. Zu lange zurück liegen seine Erfolge, zu lange sonnte er sich in diesen. Und das einstige Zugpferd Wowereit wirkte zunehmend wie Blei an den Füßen der Genossen. Erst votierten die Bürger gegen die geplante Randbebauung des ehemaligen Tempelhofer Flughafens. Unvergleichlich schlimmer ist jedoch das Desaster um den Flughafen BER. Die 2006 geplanten zwei Milliarden Euro Errichtungskosten sind mittlerweile auf 5,4 Milliarden Euro gestiegen. Wowereit redete erst die Probleme weg, dann klein, um später als Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens zurückzutreten, der er nach einem Jahr Pause Ende 2013 wieder wurde. Wann der Airport eröffnet wird, wagt heute niemand zu sagen.

Vom Sonnyboy zur Witzfigur der Medien verkam Wowereit: "Da wir nicht akzeptieren können, dass dieser Provinzbahnhof Stuttgart 21 mehr kosten könnte als unser Hauptstadt-Flughafen, haben wir beschlossen, die Start- und Landebahn jetzt unter die Erde zu verlegen." "Da kann man dann auch nachts fliegen." Diesen Dialog legte der Karikaturist Klaus Stuttmann dem Berliner Wowereit und seinem Brandenburger Amtskollegen und BER-Mitstreiter Matthias Platzeck 2013 in den Mund.

Das Amüsement hält sich bei Wowereits SPD schon seit einiger Zeit in Grenzen. Eigentlich wollte der Bürgermeister noch bis zum kommenden Jahr zuwarten und dann bekanntgeben, ob er bei der Wahl 2016 nochmals antritt. Nachdem die SPD in Umfragen mit 21 Prozent derzeit nur noch gleichauf mit den Grünen auf Platz zwei liegt, sieben Prozentpunkte hinter der CDU, zieht Wowereit nun die Reißleine. "Ich gehe freiwillig", betont er - auch als BER-Aufsichtsrat.

Um die Nachfolge wird bereits gerangelt. Wer auch immer Wowereit folgt, muss dafür sorgen, dass Berlin endlich wirtschaftlich erfolgreicher wird: In keinem deutschen Bundesland gibt es so viele Arbeitslose (11 Prozent versus 6,6 Prozent landesweit). Das BIP pro Kopf liegt mit 30.600 Euro zehn Prozent unter dem Landesschnitt. Und kein einziger DAX-Konzern hat seinen Hauptsitz in der Hauptstadt.