Eine Jubiläumsausstellung auf Schloss Ambras Innsbruck und eine neue Biografie rücken Erzherzog Ferdinand II. in ein interessanteres Licht.
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Ferdinand II.? War das nicht der Protestantenverfolger, der das Habsburgerreich in den Dreißigjährigen Krieg führte, als sich die böhmischen Stände gegen ihn erhoben? Stimmt, wenn man von jenem Ferdinand II. spricht, der von 1619 bis zu seinem Tod im Jahr 1637 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war. In der nun vorliegenden neuen Biografie aber geht es um Ferdinand II., Erzherzog von Österreich und Statthalter in Böhmen, der vor 450 Jahren seinen feierlichen Einzug in Innsbruck hielt, wo er bis 1595 als Tiroler Landesfürst residierte.
Auch er war ein kämpferischer Vertreter der Gegenreformation, machte sich aber mit seinen Kunstschätzen, die heute zum Teil in Wien aufbewahrt werden, vor allem als Sammler einen Namen. So hinterließ Ferdinand dem Land neben einem Haufen Schulden ein reiches kulturelles Erbe. Für seine Sammlungen leistete er sich sogar eine eigene Museumsanlage: Schloss Ambras Innsbruck gilt als das älteste Museum der Welt, bei dem das Gebäude selbst viel besuchtes Exponat ist.
Dass mit Erzherzog Ferdinand II. das moderne Museumswesen beginnt, ist wenig bekannt. Vor ihm waren die Schatzkammern noch ein Sammelsurium, er sammelte als erster die Objekte systematisch nach einem Konzept. Zudem beauftragte er mit "Armamentarium Heroicum" den ersten "Museumskatalog der Welt". Dieser zeigt Kupferstiche aller Persönlichkeiten samt Biografien, die er in seiner Heldenrüstkammer versammelte oder gerne aufgenommen hätte. Das erstmals 1601 auf Latein erschienene Druckwerk wurde über die Jahrhunderte immer wieder neu aufgelegt, teils in Übersetzungen und teils koloriert.
Erzherzog Ferdinand II. wollte allerdings nicht so sehr als Kunstsammler, sondern lieber als Held gesehen werden, der u.a. erfolgreich die Osmanen bezwang, wie es die Reliefs an seinem Grabmal in der Innsbrucker Hofburg darstellen. Eine Selbstüberhöhung, die nicht nur seinem Stand, sondern auch einem persönlichen Bedürfnis geschuldet gewesen sein mag: Zeit seines Lebens stand er im Schatten seines Bruders, des römisch-deutschen Kaisers Maximilian II.. Heute steht er im Schatten seiner Frau Philippine Welser, einer kräuter- und arzneikundigen Augsburger Patriziertochter. Während es über die "schöne Philippine" jede Menge Bücher gibt, erschien das letzte über Ferdinand vor 130 Jahren.
Nun aber wird der kunstsinnige Ferdinand im Rahmen einer großen Jubiläumsausstellung auf Schloss Ambras ins rechte Licht gerückt. Sie gehört neben den Aktionen zum Maria Theresia-Jubiläum zu den wichtigsten Kulturereignissen 2017 in Österreich und ist die erste Ambraser Schau, die sich über das gesamte Schloss erstreckt. Danach wird sie in der Nationalgalerie Prag gezeigt.
Begleitend zur Ausstellung erscheinen im Haymon Verlag ein umfangreicher Katalog und eine neue Biografie. Sie wurde anschaulich verfasst vom Tiroler Historiker Michael Forcher, der uns im Gespräch den Erzherzog näher bringt.
Wiener Zeitung:Herr Forcher, über die Regierungszeit von Erzherzog Ferdinand II. wissen zumindest Nichthistoriker verhältnismäßig wenig. Gelingt es Ihnen mit Ihrer Biografie, mehr Licht ins Dunkel zu bringen?Michael Forcher: Zumindest liegt jetzt einmal eine neue Biografie vor, die verständlich und gut zu lesen ist, wie ich hoffe. Bei den Recherchen historisch Neues zu entdecken, war nicht zu erwarten. Josef Hirn veröffentlichte gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein zweibändiges Werk über Erzherzog Ferdinand II. und erbrachte damit eine gewaltige Leistung. Ich vermute, es gibt kein Schriftstück, das er nicht sorgfältig studiert hat. Diese Biografie ist allerdings nur mehr in Archiven und wissenschaftlichen Bibliotheken zugänglich und auch nicht für die heutigen Lesegewohnheiten geeignet. Zu Detailaspekten über Ferdinands Regierungszeit und sein Wirken gibt es aber jede Menge neue wissenschaftliche Aufsätze und Abschnitte in anderen Büchern, vor allem auch in den vielen Katalogen von Ausstellungen auf Schloss Ambras. Diese habe ich studiert und in meine Biografie einfließen lassen. Meine Aufgabe war also eher Literaturarbeit - diese sehr interessante und widersprüchliche Persönlichkeit Ferdinand II. in einer populären Lesart einem breiteren Publikum vorzustellen.
Können Sie Erzherzog Ferdinand II. kurz charakterisieren?
Er war sozusagen ein Angeber mit Herz, der sich gut um seine Untertanen kümmerte und funk-tionierende rechtliche Standards einführte. Andererseits hatte er ein großes Repräsentationsbedürfnis, für das die Bevölkerung heftig zur Kasse gebeten wurde. Das resultierte aus seiner Habsburger Erziehung. Es bleibt für mich ein Rätsel, warum er die Bürgerliche Philippine Welser heiratete, obwohl er derart auf sein Image bedacht war. Er wusste, dass diese Ehe nur in aller Verschwiegenheit gelebt werden durfte. Dabei war er als Heiratskandidat für die englische Königin Maria Tudor und andere bedeutende Frauen seiner Zeit im Gespräch. Es muss also wirklich Liebe gewesen sein. Die Heirat mit einer Bürgerlichen begründete einen Mythos, der vor allem Philippine ins Rampenlicht stellte. Widersprüchlich ist er auch in seiner politischen Haltung: Einerseits verfolgte er die Protestanten, andererseits hatte er protestantische Berater, die er sehr schätzte.
Heute wäre seine Liebe zu Philippine Welser eine Attraktion für die Regenbogenpresse. Heißt Geschichte erzählen vor allem auch Geschichten erzählen?
Natürlich ist das wichtig, kleine Geschichten am Rande können Verständnis wecken und den Zugang zur "großen Geschichte" erleichtern. Würde man Geschichte jedoch nur in Episoden und Anekdoten auflösen, wäre das eine sehr oberflächliche Annäherung an die Thematik. Für eine seriöse historische Arbeit braucht es auch den Ablauf der Ereignisse, die großen Zusammenhänge, die Hintergründe. Bei aller Anschaulichkeit mag ich mich nicht an allzu populäre Vorstellungen anbiedern. Einschlägiges Interesse und eine gewisse geschichtliche Vorkenntnis sollte man bei den Lesern historischer Biografien voraussetzen können, sonst verzettelt man sich als Autor in Erklärungen.
Nicht wenige Dinge erfordern aber dennoch, dass man sie erklärt . . .
Ja, allein schon die Berufsbezeichnungen rund ums fürstliche Mahl: Ein Truchsess war für das Auftragen der Speisen zuständig, aber er ist doch nicht mit dem heutigen Kellner zu vergleichen, denn er hatte ein hohes Amt bei Hofe inne. Der Fürschneider schnitt das Fleisch auf und der Stäbelmeister dirigierte den ganzen Ablauf. Zumindest was ein Mundschenk ist, weiß man noch heute.
Wie bringen Sie bei Ihren historischen Büchern die altertümliche Sprache in eine lesbare Form?
Das ist bei Originalzitaten ein Problem. Mit ihrer eigentümlichen Grammatik und Rechtschreibung können diese für die meisten Leser nur sehr mühevoll entschlüsselt werden. Ich verfahre dabei so, dass ich mich wortwörtlich an den originalen Text halte, aber die Rechtschreibung der unseren anpasse. Die Sprache behält also ihren altertümlichen Charakter und der Text ist trotzdem für jeden gut lesbar.
Sie haben an die 20 historische Bücher geschrieben und waren Gründer und Leiter des Innsbrucker Haymon-Verlages. Hätte es Sie gereizt, einen historischen Roman zu schreiben?
Gereizt hätte es mich schon, aber ich könnte es nicht, weil ich kein Talent fürs Erfinden habe. Ich ärgere mich auch immer, wenn in historischen Romanen oder Spielfilmen aus Gründen der Dramatik oder der Publikumswirksamkeit die Sachinhalte verfälscht werden. Die besten historischen Bücher hat meiner Meinung nach Stefan Zweig geschrieben.
Sie sind jener Tiroler Historiker, der in Westösterreich bei großen geschichtsträchtigen Anlässen um einen Beitrag gefragt wird. Wie schaffen Sie es, sich dabei politisch nicht vereinnahmen zu lassen?
Das ist relativ einfach, weil die Geschichte selber nie einseitig ist. Ich behaupte nichts, was sich nicht aus den Quellen erschließt und daraus nachweisen lässt. Als ich in meinen jungen Jahren als Journalist arbeitete, hat man mir gesagt, wenn ich gleich auch die Gegenseite darstelle, wird es keine "gute Geschichte", die Gegenseite könne später gesondert zu Wort kommen. Das hat mich immer gestört. Auch als Historiker bemühe ich mich um eine objektive, unparteiische Haltung, schaue aus verschiedenen Blickwinkeln auf das Geschehen, stelle überkommene Ansichten in Frage, überprüfe sie anhand der Quellen, kritisiere auch einen "Helden" wie Andreas Hofer. Das ist für viele Leute unbequem. Andererseits lehne ich Provokation um der Provokation Willen ab. Ich korrigiere überkommene Geschichtsbilder lieber vorsichtig, dafür aber so, dass sie eine Chance haben, angenommen zu werden. Wenn mir das die Leser meiner Bücher bestätigen, freut mich das am meisten. Dann war die ganze Arbeit nicht umsonst.
Michael Forcher, geboren 1941 in Lienz/Osttirol, ist promovierter Historiker, Journalist, Gründer und langjähriger Verleger des Haymon Verlags. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte und Kulturgeschichte Tirols, u.a. "Tirols Geschichte in Wort und Bild" (11. Auflage 2009), "Südtirol in Geschichte und Gegenwart" (gemeinsam mit Hans Karl Peterlini, 2010). Anlässlich der Jubiläums-Ausstellung auf Schloss Ambras Innsbruck, die noch bis 8. Oktober 2017 zu sehen ist, hat Forcher seine Biografie verfasst: Erzherzog Ferdinand II. Landesfürst von Tirol. Sein Leben. Seine Herrschaft. Sein Land.Haymon Verlag, Innsbruck 2017, 320 Seiten, 22,90 Euro. Irene Prugger, geboren 1959 in Hall, lebt als Autorin und freie Journalistin in Mils in Tirol.