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Erasmus für alle

Von Anja Stegmaier

Politik

Das europäische Bildungsprogramm will aus der Elite-Ecke raus und in Zukunft inklusiver und einfacher werden.


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Alpbach. "Ich bin die glücklichste Generaldirektorin der EU-Kommission", sagt Martine Reicherts. Die in Brüssel für Bildung und Kultur Zuständige ist für das erfolgreichste Programm der EU verantwortlich und traf sich auf Einladung des Österreichischen Austauschdienstes (OeAD) mit weiteren 15 Vertretern nationaler Mobilitätsagenturen im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach, um sich über die Zukunft des europäischen Förderprogrammes Erasmus auszutauschen. Das vor allem für Auslandsstipendien Studierender bekannte Konzept verschmolz 2014 mit weiteren Initiativen zu Erasmus+ und ist Teil des EU-Programms für lebenslanges Lernen. Neben Hochschulbildung werden auch Schul-, Berufs- und Erwachsenenbildung gefördert. Diese Aufgabe soll künftig stärker in den Fokus rücken. "Die Zukunft von Erasmus ist nicht in Frage gestellt. Wir brauchen eine Evolution, nicht Revolution des Programmes", sagt Generaldirektorin Reicherts.

Erasmus soll bis 2021 "internationaler, inklusiver und wirkungsvoller werden", fasst OeAD-Geschäftsführer Stefan Zotti die Zukunftspläne zusammen. So sollen nicht nur Studierende und Hochschulpersonal weltweite Aufenthalte absolvieren können, sondern vermehrt auch Lehrlinge und Schüler. "Wir verlieren gerade die Schulen aus dem Programm - wir müssen runter mit dem Verwaltungsaufwand", appelliert Zotti. Auch Reicherts plädiert für mehr Erasmus an Schulen: "Man muss schon im frühen Alter international denken."

"Neue Formen der Mobilität"

Die luxemburgische Politikerin betont außerdem die Wichtigkeit des Handwerks in Österreich: "Das müssen wir unbedingt fördern, wir werden in Zukunft diese Leute händeringend brauchen." Und sie sieht das Problem durchaus bei der EU: "Wir sind einfach zu kompliziert. Wir brauchen ein Europa der kurzen Wege." Dem Vorwurf, Erasmus sei elitär, stimmt Reicherts zum Teil selbstkritisch zu. Deswegen soll mehr Geld an die Studierenden selbst gehen, denn ein Auslandsaufenthalt ohne finanzielle Unterstützung von Zuhause sei schwierig, sagt die Politikerin.

Aktuell verfügt das Programm über ein Budget von 15 Milliarden Euro. 2018 startet erstmals ein Pilotprojekt für junge Bauern, das aber aus dem Agrarbudget finanziert wird. Weiters sind Mobilitätsprogramme für junge Leute im IT-Bereich und Jungunternehmer angedacht. Flüchtlinge und Migranten sollen sich künftig auch über Erasmus in die nationalen Bildungssysteme integrieren können. Hierzu sollen die kostenfreien Online-Sprachkurse für Erasmus-Teilnehmer für Lernbegierige geöffnet werden. In der "Internationalisierung zuhause", via digitaler Technologie sieht Zotti viele Chancen - dies seien die "neuen Formen der Mobilität", etwa in Form von virtuellen Hörsälen und Klassenzimmern. Zudem brauche es die Möglichkeit kürzerer Auslandsaufenthalte, um berufstätige Studierende, vor allem an Fachhochschulen, zu erreichen. Aktuell sieht das Programm für Praktika mindestens zwei, für Studienaufenthalte mindestens drei Monate vor.

Mehr als 240.000 Österreicher nahmen in den 30 vergangenen Jahren an Erasmus teil, um im Ausland zu studieren, ein Praktikum zu absolvieren, zu lehren oder zu arbeiten. 37,5 Millionen Euro stehen heuer in Österreich für das Mobilitätsprogramm zur Verfügung; 2017 werden geschätzt 15.000 Personen in Österreich mit Erasmus+ mobil.