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Schon vor der Veröffentlichung eines Forschungspapiers der Europäischen Zentralbank schlugen die Ergebnisse der Ökonomen hohe Wellen: Die Vermögen der Südländer seien höher als jene des vermeintlich "reichen" Nordens. Warum also den Club-Med-Staaten helfen, wenn diese ohnehin mehr Vermögen haben? Schon in der Zusammenfassung des Papiers gibt es freilich die Antwort auf dieses scheinbare Paradoxon der "reichen" Schuldenstaaten. 60,1 Prozent der Haushalte der Eurozone sind Besitzer ihrer Wohnung oder ihres Hauses. Während Haus- und Wohnungsbesitz in vielen europäischen Staaten den größten Teil des Vermögens ausmacht, dominieren in Österreich und Deutschland "Miet-Haushalte", wie es im Bericht heißt. Die Vermögen in Österreich und Deutschland sind vergleichsweise "flüssiger" - also Geldvermögen. Die süffige Geschichte vom "reichen Süden" und "armen" Norden ist plötzlich viel weniger sexy.
Neben dem Europa-Vergleich der Vermögensverhältnisse ist es überaus spannend, sich die Vermögensverteilung der österreichischen Haushalte anzusehen. Das Ergebnis: Österreich ist kein Land der harmonischen Egalität. Während das unterste Dezil (die ärmsten 10 Prozent) weniger als 1000 Euro besitzen, hält das reichste Dezil (die reichsten 10 Prozent) Vermögen von mehr als 542.000 Euro. Der Ginikoeffizient, mit dem Ökonomen Ungleichheit messen, liegt für Nettovermögen bei 0,76 (ein Wert von null würde völlige Gleichverteilung bedeuten, ein Wert von eins bedeutet maximale Ungleichverteilung - einer hat alles, die anderen nichts). 0,76 ist also ein relativ hoher Wert.
Diese Tatsache der relativen Ungleichverteilung von Vermögen sollte Konsequenzen haben: Aufgrund der hohen Steuern und Abgaben auf Arbeitseinkommen ist es für Normalverdiener so gut wie unmöglich, in diesem Land Millionär zu werden. Austro-Dagobert-Ducks hingegen dürfen sich freuen: Aufgrund der vermögensfreundlichen Stiftungsmodelle und der im internationalen Vergleich außerordentlich niedrigen Steuern auf Vermögen sowie der Abschaffung der Erbschaftssteuer ist es hingegen ein Leichtes, Millionär zu bleiben. Eine solidarische Hochleistungsgesellschaft sieht anders aus. Arm und Reich driften auseinander - es besteht die Gefahr einer Erb-Plutokratie, wie der Harvard-Philosoph Michael J. Sandel warnt.