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Erben raus aus dem Gemeindebau?

Von Clemens Neuhold

Politik
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Später automatisch zur Gemeindebauwohnung aufsteigen, auch wenn nur auf Oma-Besuch?
© S. Jenis

Grüner Klubchef: Weitergaberegeln zu prüfen bringt mehr als Gehaltscheck.


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Wien. "Politiker raus aus dem Gemeindebau", titelte die "Kronen-Zeitung". Doch heißt es bald: "Erben raus aus dem Gemeindebau?" Mit Erben sind hier jene Personen gemeint, die Gemeindebauwohnungen automatisch und ohne Überprüfung übernehmen können, selbst wenn sie nie darin gewohnt haben. Das nennt sich "erweiterte Weitergabe".

Die "Evaluierung der erweiterten Weitergabe" steht seit 2010 als Vorhaben im Koalitionsübereinkommen der Stadtregierung. Durch die Debatte um Wohnungsnot und explodierende Mieten wird das Thema nun akut.

Zahl der "Erben" unbekannt

Laut David Ellensohn, dem Klubchef der Wiener Grünen, könnte die Überprüfung der Weitergabe einen größeren Effekt als der viel diskutierte ÖVP-Gehaltscheck haben. "Wir wissen derzeit nicht, wie viele das in Anspruch nehmen. Wenn es sehr viel Fälle von Weitergaben gibt, die den sozialen Kriterien nicht entsprechen, dann muss man über eine Einschränkung nachdenken", sagt Ellensohn im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Sollte es hingegen nur ein beschleunigter Weg für Angehörige sein, die sowieso Anspruch haben, sieht er keinen Handlungsbedarf.

Grundsätzlich ist laut Mietrechtsgesetz eine Weitergabe an direkte Verwandte (Kinder, Eltern, Enkel, Geschwister) nur dann erlaubt, wenn diese zwei Jahre im selben Haushalt gelebt haben; bei Geschwistern sind es fünf Jahre. Durch die "erweiterte Weitergabe" kamen auch jene in den Genuss, die nie in der Wohnung gelebt hatten.

Die seit den 90er Jahren gültige Ausweitung ist kein Rechtsanspruch, sondern eine Art Entgegenkommen von "Wiener Wohnen", das jederzeit zurückgenommen werden kann.

Der Sprecher von Wohnbaustadtrat Hanno Csisinko bestätigt die Evaluierung. "Derzeit werden die Daten erhoben." In ein paar Wochen soll klar sein, wie viele Personen die erweiterte Weitergabe in Anspruch nehmen. Falls es Änderungsbedarf gebe, werde das mit allen Parteien koalitionsübergreifend besprochen, versichert Csisinko. Die Stadt überprüfe laufend, ob "die richtigen Personen Gemeindebauwohnungen rasch genug" bekämen, die Weitergaberegeln sei nur ein Aspekt.

Auch die sogenannte "Mietrechtsübertragung" ist Thema. Dabei können auch entfernte Verwandte wie Neffen, Cousinen, Schwager die Wohnung übernehmen, sie müssen aber im Unterschied zu der "Weitergabe" die Kriterien für einen Vormerkschein erfüllen, ersparen sich aber lästige Wartezeiten.

Der Peter-Pilz-Faktor

Den heiß diskutierten ÖVP-Gehaltscheck im Gemeindebau lehnt Ellensohn genauso ab wie die SPÖ. Die ÖVP fordert, dass wohlhabende Mieter im Gemeindebau (darunter Politiker wie der Grüne Peter Pilz) eine "marktübliche" Miete zahlen sollen. Alle zehn Jahre soll es einen "Gehaltscheck" geben, um festzustellen, welche Mieter über 3000 Euro netto verdienen. Diese Gehaltsgrenze gilt derzeit für alle, die sich neu für eine Wohnung anmelden.

"Unsere Experten sagen mir, dass sich das nicht auszahlt", sagt Ellensohn zur "Wiener Zeitung". Er verweist auf die Kosten, die entstünden, sollte man alle Personen in 215.000 Wohnungen überprüfen. "Das sind 20.000 Überprüfungen pro Jahr. Wie viele Stunden dauert das? Wer macht das? Was müssen die Mieter vorlegen?" Ellensohn glaubt, dass nur ein paar wenige Prozent der Mieter über die Grenze kommen. Die zusätzlichen Einnahmen aus höheren Mieten würden die Kosten für den Gehaltscheck nicht rechtfertigen.

Was sagt er dazu, dass in Salzburg der Gehaltscheck bereits praktiziert wird? Da gehe es um im Vergleich zu Wien um viel weniger Wohnungen, der Aufwand sei geringer.

"Ich warte jetzt gespannt auf das konkrete Modell der Wiener ÖVP, wer, wann, wie kontrolliert werden soll." Der Grüne Klubchef glaubt, dass die Mieten für die wenigen sehr Wohlhabenden exorbitant steigen müssten, um die Kosten für die Überprüfung reinzuspielen. Die reine Miete im Gemeindebau sei aber nicht so weit vom Markt entfernt. Am freien Mietermarkt seien die Mietzuschläge hauptverantwortlich für die hohen Preise, die gibt es im Gemeindebau nicht.

Obwohl die Grünen den Koalitionspartner im Kampf gegen den Gehaltscheck die Mauer machen, sind die Beweggründe völlig unterschiedlich. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig verweist auf die soziale Durchmischung und warnt vor sozialen Ghettos, sollten Reiche ausziehen. Die Gefahr sieht Ellensohn nicht, es könnten ja wegen der hohen Grenze weiterhin Leute mit Einkommen bis über 3000 Euro einziehen.
Die Grünen waren in den 90er Jahren sogar die Ersten, die einkommensabhängige Mieten im Gemeindebau forderten. Peter Pilz fragte den damaligen Finanzstadtrat sogar medienwirksam nach einem Konto, auf das er seine höhere Miete überweisen könnte – bis heute vergeblich.

Wissen: "Erben" im Gemeindebau
Laut Mietrechtsgesetz dürfen Verwandte der direkten Linie (Kinder, Eltern, Enkel, Geschwister) Wohnungen übernehmen – egal ob zu Lebzeiten oder im Todesfall des Vormieters. Sie müssen dafür aber zwei Jahre lang in der Wohnung gelebt haben, bei Geschwistern fünf.

Die "erweiterte Weitergabe" sieht jedoch vor, dass auch direkte Verwandte Anspruch auf die Wohnung haben, die nie dort gewohnt haben. Voraussetzung: über 17 Jahre alt, seit zwei Jahren Wohnsitz in Wien, bisherige Wohnung muss aufgegeben werden. Bei der "Mietrechtsübertragung" können Wohnungen auch an entfernt Verwandte wie Neffen und Cousinen weitergeben werden. Sie werden aber vorher gecheckt, ob Anspruch besteht.