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Moskaus Bürgermeister vor dem Aus? | Staatsfernsehen schießt sich auf Luschkow ein. | Moskau/Wien. (dpa) Seit fast zwei Jahrzehnten regiert Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow (73) die russische Hauptstadt mit harter Hand. Doch nun soll schon bald das Ende dieser umstrittenen Dauerherrschaft kommen, wie russische Medien fast täglich berichten. | Porträt Juri Luschkow
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Erstmals seit Jahren schoss sich am Wochenende auch das russische Staatsfernsehen NTW auf die unter Luschkow verbreitete Korruption und Günstlingswirtschaft ein. Moskauern gilt das alles zwar seit langem als offenes Geheimnis. Dass aber ein Staatssender einen Politiker dieses Gewichts kritisiert, gilt als Sensation.
Seit Tagen spekulieren vor allem Zeitungen darüber, dass Kremlchef Dmitri Medwedew den Gefolgsmann von Regierungschef Wladimir Putin aus dem Amt entlassen könnte. Dabei geht es aber weniger um die möglichen kriminellen Machenschaften Luschkows. Vielmehr fühlt sich Medwedew nach Meinung von Beobachtern zunehmend behindert durch den mächtigen Mann bei seinem Modernisierungskurs. Eine Entlassung Luschkows wäre daher ein politisches Erdbeben und ein erster echter Machtbeweis für Medwedew, schreiben Kommentatoren in Moskau.
Milliardenvermögen
In den Sendungen "Maximum" und "Der Fall Schiebermütze" - in Anspielung auf die Kopfbedeckung des Bürgermeisters - beleuchteten die NTW-Reporter zudem die Geschäfte von Luschkows Ehefrau. Ihr Vermögen beträgt laut Forbes drei Milliarden Dollar. Mit ihrer Baufirma Inteko hat sie immer wieder von den Aufträgen aus dem Bürgermeisteramt profitiert.
Luschkow gilt durch das Firmenimperium seiner Frau als einer der reichsten Männer der größten Landes der Erde. Noch am Freitag hatte er Kritik aus dem Kreml zurückgewiesen, er treibe durch Machtspiele und Intrigen einen Keil zwischen das Machttandem Medwedew/Putin - und das mitten in der heißen Diskussion um deren mögliche Kandidatur für das Präsidentenamt 2012.
Doch Luschkows Machtbasis gilt als stark. Die von Putin geführte Partei Geeintes Russland warf dem Fernsehmachern vor, zu einseitig über Luschkow zu berichten. Immerhin aber will Parlamentschef Boris Gryslow die Vorwürfe klären lassen. Der Politologe Alexej Puschkow sah sich an einen ersten "Informationskrieg" gegen Luschkow erinnert, als dieser 1999 Präsident werden wollte - und scheiterte.
Im vergangenen Oktober hatte Luschkow unter Vorwürfen massiver Wahlmanipulation der Putin-Partei noch einen haushohen Sieg bei der Stadtratswahl gesichert. Dabei kritisiert die Opposition seit langem, der Rathaus-Chef habe Moskau zu einer der teuersten Metropolen der Welt gemacht. Hier werde Lebensqualität zu Luxuspreisen verkauft und dabei gebe es reichlich Kriminalität und Verschmutzung wie in der Dritten Welt, sagte der frühere Vizeregierungschef Boris Nemzow im vorigen Jahr.
Doch Luschkow steht nicht nur im Ruf, die Opposition zu unterdrücken, sondern auch höchstrichterliche Urteile oder Anweisungen des Kreml zu ignorieren. So bestand der Bürgermeister trotz internationaler Proteste lange darauf, Diktator Stalin zum 65. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland im vergangenen Mai in Moskau mit großflächigen Plakaten zu würdigen. Der Kreml verhinderte das letztlich.
Die Kritik prallt ab
Medwedew hatte am Freitag auf einer Konferenz in Jaroslawl ohne Nennung von Namen gesagt, dass Funktionäre, die seinem Modernisierungskurs nicht folgten, sich auch verabschieden könnten. Luschkow teilte prompt mit, er fühle sich nicht angesprochen. Regierungskritiker forderten trotz Demonstrationsverbots auch am Sonntag das rasche Ende der Ära Luschkow.