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Erbrecht soll entstaubt werden

Von Katharina Schmidt

Politik

Brandstetter will Lebensgefährten ohne Testament mehr Rechte geben.


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Wien. "Ob Sie es glauben oder nicht: Wir arbeiten in der Regierung ganz gut zusammen." Guter Dinge und voll des Lobes für seine Kollegen nicht nur in der Regierung, sondern vor allem im Ministerium selbst, hat Neo-Justizminister Wolfgang Brandstetter am Mittwoch seine "Antrittspressekonferenz", wie er es nannte, eröffnet. Brandstetter, selbst ehemaliger Strafverteidiger und Universitätsprofessor für Strafrecht, unterstrich die Einheit im Ressort, indem er die zuständigen Sektionschefs selbst auf Journalistenfragen antworten ließ.

Neben anderen Reformvorhaben (siehe Kasten) will Brandstetter bis Herbst einen Begutachtungsentwurf für ein modernisiertes Erbrecht vorlegen. Das ist - als gewohnt kurz gehaltene Punktation - auch Teil des Regierungsübereinkommens. Zuständig für den Entwurf ist Zivilrechts-Sektionschef Georg Kathrein, an den Brandstetter "keine politischen Wünsche" hat, wie er betonte.

Kernstück der Reform sind drei Punkte: Pflichtteil, Lebensgefährten und Pflegende, wie Kathrein gegenüber Medienvertretern erklärte. Pflichtteilsberechtigt sind derzeit sowohl die Nachkommen des Verstorbenen als auch die Ehegatten und die Vorfahren, letzter in einem geringeren Ausmaß. Vor allem für Unternehmen hochproblematisch sei, dass der Pflichtteil nach geltender Rechtslage im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens sofort ausgezahlt werden müsse. Kathrein kann sich hier vorstellen, Möglichkeiten zur Ratenzahlung oder zur Stundung des Pflichtteils zu schaffen, weil Unternehmen ansonsten im Extremfall die Zerschlagung drohe. Eine Abschaffung des Pflichtteils komme aber eher nicht infrage, das werde überall in Europa abgelehnt.

Weiters sollen Pflegende gesetzlich am Erbe beteiligt werden. Wie genau, ist noch unklar, möglich wäre aber zum Beispiel, dass pflegende Angehörige automatisch einen gewissen Betrag vom Erbe erhalten. Völlig unklar ist noch, ob und wenn ja, wie Pflegende am Erbe beteiligt werden sollen, die weder mit dem Verstorbenen verwandt noch bezahlte Pflegekräfte waren. Angesprochen auf eine allfällige Missbrauchsgefahr meint Kathrein, diese sähe er hier nicht, der Anspruch müsse ohnehin von einem Richter abgeklärt werden.

Schließlich soll auch die Situation von nicht verheirateten oder verpartnerten Lebensgefährten verbessert werden. Denn diese gelten - vorausgesetzt, der Verstorbene hat kein Testament gemacht - erbrechtlich als Fremde. Im Extremfall bedeutet das, dass ein Partner, wenn er nicht als Miteigentümer der Wohnung im Grundbuch steht, im Todesfall des anderen über Nacht seine Wohnung an die Erben verliert.

Anspruch auf Wohnungsoll erhalten bleiben

Familienrechtsexpertin Astrid Deixler-Hübner von der Johannes-Kepler-Uni Linz sieht hier dringenden Handlungsbedarf: Unter gewissen Voraussetzungen - etwa ab einer bestimmten Dauer des Zusammenlebens - müssten Lebensgefährten in den Kreis der Erbberechtigten aufgenommen werden. Auch sie bewertet wohnrechtliche Änderungen als vorrangig: Sie wünscht sich eine analoge Regelung zu den Ehegatten, die nicht von den Erben aus der Wohnung geworfen werden dürfen. Bei Lebensgefährten könnte dies abgestuft gelten, also zum Beispiel mit einem befristeten Wohnrecht ausgestattet.

Ein solches "subsidiäres Erbrecht", wonach Lebensgefährten im Vergleich zu Ehepartnern zwar benachteiligt sind, aber dennoch gewisse Rechte haben, stellt man sich auch im Justizressort vor. "Man soll zwar zurückhaltend sein bei Regelungen für Leute, die eigentlich keine haben wollen", heißt es dort. "Himmelschreiende Ungerechtigkeiten müssen aber beseitigt werden", sagt Kathrein. Er will einen ersten internen Diskussionsentwurf bis Ostern vorlegen.

Wissen: Brandstetters Pläne

In seiner "Antrittspressekonferenz" stellte der neue Justizminister Wolfgang Brandstetter alle Themen vor, die er in den kommenden Monaten angehen will.

Weisungsrecht: Derzeit wird mit heiklen Fällen - etwa jenen, in denen Brandstetter selbst als Strafverteidiger tätig war - ein Weisenrat befasst, der dann eine Empfehlung an die Strafrechtssektion abgibt. Ab kommendem Montag wird sich eine hochkarätig besetzte Expertengruppe mit der Frage auseinandersetzen, wie das Weisungsrecht reformiert werden kann. Im Raum steht etwa ein Bundesstaatsanwalt, der anstelle des Ministers Weisungen erteilen kann.

Jugendwohlfahrt: Im Zusammenhang mit vermutlich minderjährigen Verdächtigen soll stärker mit den Ländern kooperiert werden - sie sollen Personal für den Ausbau der Jugendgerichtshilfe zur Verfügung stellen. Die Kompetenz an sich sieht Brandstetter gut bei den Ländern aufgehoben.

Verfahrensbeschleunigung: Unter anderem wegen eines jüngsten Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei Österreich unter Zugzwang, die großen Verfahren zu beschleunigen. Dazu will Brandstetter den 2009 aus Kostengründen abgespeckten Schöffensenat wieder aufstocken. Derzeit muss ein Berufsrichter mit zwei Schöffen das Verfahren leiten -bei tausenden Aktenseiten wird das oft langatmig. Der Minister sieht zwei Möglichkeiten: Entweder generell den Schöffensenat um einen zweiten Berufsrichter ergänzen, oder aber dies nur in Großverfahren unter bestimmten Kriterien zu tun. Die erste Variante ist einfacher, aber auch kostenintensiver: Dazu bräuchte es österreichweit zehn bis elf zusätzliche Planstellen. Brandstetter will das davon abhängig machen, wie viele Stellen Kanzleramtsminister Josef Ostermayer genehmigt.

Kleines StPO-Paket: Neben der Schöffengerichtsbarkeit Neu soll auch der Ausbau der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zur Verfahrensbeschleunigung dienen. Dazu sollen aber nicht weitere Planstellen geschaffen, sondern vielmehr bestehende aufgewertet werden. Denn in der WKStA sind nach wie vor viele Planstellen unbesetzt, weil der Job als unattraktiv und stressig gilt. Mit der Mehrbezahlung erhofft sich Brandstetter auch gesteigertes Interesse an der WKStA. Auch eine Lösung der Sachverständigen-Problematik steht vor der Tür. Laut Sektionschef Christian Pilnacek geht es in Richtung mehr Mitsprache der Verteidiger bei Auswahl von Sachverständigen und deren Methode.

Strafrechtsreform 2015: Eine Expertengruppe arbeitet an der Reform des Strafrechts, Brandstetter will sich dazu aber nicht äußern, um die Gruppe nicht zu beeinflussen.