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Erbschaftssteuer entschläft sanft

Von Harald Waiglein

Wirtschaft
Er ist gekommen, um die österreichische Steuer auf Erbschaften zu holen. Foto: bilderbox

VfGH: Steuer ist gleichheitswidrig. | Gesetz gilt vorerst weiter, keine Steuer für anhängige Fälle. | Wien. "Nichts in dieser Welt ist sicher, außer der Tod und die Steuern" sagte Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, vor mehr als 200 Jahren. In Österreich ist jedoch die Kombination von Tod und Steuer seit Mittwochvormittag nicht mehr so sicher.


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Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich Paragraph 1, Absatz 1, Ziffer 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes von 1955 aufgehoben (siehe auch Kästchen unten). Im Klartext bedeutet das nicht mehr und nicht weniger, als dass der gesamte Bereich der Erbschaftssteuer vom VfGH gekippt wurde. Die Schenkungssteuer bleibt davon unberührt. Aber auch sie könnte demnächst vom VfGH aufgehoben werden (siehe Artikel unten).

Keine Rückwirkung

Die Erbschaftssteuer entfällt nicht mit sofortiger Wirkung. Der VfGH hat nämlich dem Gesetzgeber eine Reparaturfrist bis zum 31. Juli 2008 eingeräumt. Sollte das Parlament bis dahin keine verfassungskonforme Reparatur der Erbschaftssteuer beschließen (wonach es derzeit nicht aussieht, siehe unten), ist ab dem 1. August nächsten Jahres Erben steuerfrei. Eine generelle Rückwirkung des Urteils auf vergangene Erbschaftsfälle gibt es nicht.

Mit sofortiger Wirkung von der Erbschaftssteuer befreit würde lediglich die Beschwerdeführerin im Anlassfall, jene Personen, die bereits ein Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) anhängig hätten sowie all jene, die vor dem 2. März dieses Jahres (dem Beginn der jetzigen Session) eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit einem Erbschaftssteuerfall eingebracht hätten, erläutert VfGH-Präsident Karl Korinek. Wer also nach dem Gesetzesprüfungsbeschluss des VfGH im vergangenen Dezember schnell geschaltet hat, muss schon jetzt für eine Erbschaft keine Steuer mehr bezahlen.

Gleichheitswidrig

Korinek begründet die Entscheidung des VfGH damit, dass die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftssteuer auf Grundstücke gleichheitswidrig sei. Diese bemisst sich nämlich nach dem dreifachen des sogenannten "Einheitswertes". Die Einheitswerte wurden zuletzt 1973, für landwirtschaftliche Grundstücke zuletzt 1988 vom Gesetzgeber festgestellt. Das bedeute, so Korinek, dass es bei der Bemessung der Erbschaftssteuer nicht darauf ankäme, was jemand heute und jetzt erbt, sondern welchen Wert dieser Grundbesitz vor Jahrzehnten hatte. Im Prinzip habe der VfGH aber nichts gegen eine Erbschaftssteuer; auch nichts gegen eine unterschiedliche Behandlung von Bar- und Grundvermögen. Es käme lediglich auf die Ausgestaltung an, sagt Korinek.

Zwei-Drittel-Mehrheit?

Es wäre möglich, dass für eine Reparatur des Erbschaftssteuergesetzes nicht nur eine einfache, sondern sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erforderlich ist. Der Hintergrund ist folgender: Die Erbschaftssteuerfreiheit von Sparbüchern, Bankguthaben und Anleihen ist in der Verfassung festgeschrieben. Wenn der Gesetzgeber nun lediglich mit einer einfachen Mehrheit die unterschiedliche Behandlung von Grund- und sonstigem Vermögen im Erbschaftssteuergesetz anpasst, die verfassungsrechtliche Steuerbefreiung für Sparbücher aber belässt, könnte die Regelung erneut gleichheitswidrig sein und sofort wieder vor dem VfGH beeinsprucht werden.

VfGH-Präsident Korinek will sich dazu zwar nicht festlegen ("Wir haben uns mit dieser Frage bei der jetzigen Prüfung nicht befasst, also kann ich das nicht beurteilen"), er hält aber fest, dass diese Frage durchaus relevant ist. " Für den VfGH ist auch eine Verfassungsbestimmung über Kapitalvermögen ein Vergleichsmaßstab. In welcher Weise man das einbeziehen muss, ist jedoch nicht gesagt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Bundesregierung diesen Punkt nicht in eine Gesamtreform mit einbezieht."

Die Erbschafts- und Schenkungssteuer gilt wegen ihres geringen Aufkommens als Bagatellsteuer. Sie berechnet sich einerseits nach der Höhe des vererbten Vermögens (wobei Grundvermögen über die Einheitswerte, sonstiges Vermögen mit dem Verkehrswert bemessen wird), andererseits nach dem Verwandschaftsgrad zwischen Erblasser und Erben (siehe Grafik).

Dem Fiskus hat die Erbschafts- und Schenkungssteuer zuletzt rund 140 Millionen Euro eingebracht. Rund 60 Prozent des Aufkommens stammt aus der Erbschafts-, der Rest aus der Schenkungssteuer.