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Erdbeben im gewohnten Machtgefüge: Die Klubs pochen auf das letzte Wort

Von Walter Hämmerle

Analysen

Eigentlich fürchteten sich die Kritiker der großen Koalition ja vor deren Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat (134 von 183 Abgeordneten), mit der SPÖ und ÖVP nach Belieben die Verfassung neuen Notwendigkeiten anpassen können. Daran jedoch, dass diese Koalition bei zentralen Themen über keine Mehrheit mehr verfügt - damit hat niemand gerechnet. | Und dennoch ist genau das jetzt eingetreten. Die Regierung kann sich nicht mehr sicher sein, bei zentralen Reformthemen eine Mehrheit hinter sich zu haben. Ganz offensichtlich war das bis Mittwoch bei der Gesundheitsreform der Fall. Hier stellten sich sowohl in der SPÖ als auch der ÖVP die Arbeitnehmervertreter auf die Barrikaden. Und auch in der Frage der umstrittenen Pensions-Automatik ist es keinesfalls so, dass nur die SPÖ gegen die ursprünglich paktierte Variante der Ministerverordnung revoltiert. Auch im ÖAAB ist das Murren vernehmbar.


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Mit dieser Entwicklung rücken die Klubs in den Mittelpunkt des politischen Prozesses. Was für Österreich einigermaßen unüblich ist: Traditionell ist das Selbstvertrauen der Parlamentarier gegenüber der Regierung hierzulande allenfalls schwachbrüstig; es ist die Regierung, die das Heft im Gesetzgebungsprozess in der Hand hat. Den Parlamentariern billigt diese - wenn überhaupt - allenfalls noch den Feinschliff zu. Das böse Wort von der Abstimmungsmaschinerie im Hohen Haus ist eine Folge dieser ungleichen Machtverteilung.

Das scheint sich nun zu ändern. Die Regierung hat die Kontrolle über die eigenen Klubs offensichtlich verloren. Dabei ist schwer zu sagen, wer als treibende Kraft hinter dieser Entwicklung steht. Bei der SPÖ ist das wohl der geballte Unmut von Gewerkschaftern und Landesgruppen über die eigene Regierungsmannschaft. Vor allem die ÖGBler haben dem Kanzler ihre - vorübergehende - innerparteiliche Entmachtung im Zuge der Bawag-Affäre nicht verziehen. Klubchef Josef Cap, ein enger Vertrauter und Wegbegleiter von Alfred Gusenbauer, hat dabei nur die Rolle des Moderators, der versucht, die Konflikte nicht eskalieren zu lassen.

Komplizierter ist die Lage im ÖVP-Klub: Hier sitzt Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel an den Hebeln - und der war bisher nicht als führungsschwach bekannt. Warum aber hat er dann nicht die ÖAAB-Abgeordneten besser im Griff, fragen sich derzeit manche in den Reihen der ÖVP, denen die innerparteiliche Rolle Schüssels Rätsel aufgibt.

Eigentlich wollte er seinem Nachfolger Wilhelm Molterer die Arbeit erleichtern, indem er den Klub übernahm. Ist Schüssel am Ende gar nicht mehr der starke Mann, als den ihn Freund und Feind gerne bezeichnen? Oder verfolgt er eine andere politische Agenda? Fragen über Fragen.