Was transportiert ein Speditions- und Logistikunternehmen zu den Olympischen Spielen nach Athen? Sportgeräte, Ausrüstung, Werkzeug, EDV-Anlagen, Kameras, Pferde - und Erde. Da Baseball in Griechenland so gut wie unbekannt ist, musste die rote Erde fürs Spielfeld aus den USA importiert werden.
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"Wir mussten etwa 20 Tonnen als Luftfracht schicken", erklärte Richard Todorovic, Global Sports Event Manager bei Schenker Logistics. Die Chance, auf eigenem Boden zu spielen, haben die US-Baseballer allerdings vermasselt. Sie schieden in der Qualifikation gegen Mexiko aus.
Für ein Unternehmen wie der Stinnes-Tochter Schenker gehören solche Aufträge zum Alltag. Beide gehören zur Deutschen Bahn, die damit zu den großen internationalen Logistikanbietern zählt. 6,4 Mrd. Euro setzen die 36.000 Schenker-Mitarbeiter jährlich um, bei sportlichen Großereignissen ebenso wie bei Messen und Kulturveranstaltungen.
In Athen ist Schenker wie 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney als offizieller Partner des Internationalen Olympischen Komitees für die Bereiche Spedition und Zollabfertigung tätig. Zusätzlich betreut man rund 250 Kunden, darunter 50 nationale Olympische Komitees. Insgesamt sind nun, am Ende der Vorbereitungsphase, 600 Personen beschäftigt, während der Spiele selbst wird man mit etwa der Hälfte auskommen.
Sie bewegen mehr als 800 Container Seefracht, rund 1.500 Tonnen Luftfracht plus den Waren, die auf der Straße herangebracht werden. Bevor die Sendungen zu den 28 olympischen Standorten und 10.000 Teilnehmern und 20.000 Berichterstattern gelangen, kommen sie in ein Warenlager in Avlona, rund 30 km nördlich von Athen. Hier wird umgepackt, sortiert und überprüft. Obwohl bei allen Olympischen Spielen nach dem Attentat in München 1972 umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen für Athleten und Zuschauer getroffen wurden, hat man die Anforderungen noch einmal wesentlich verschärft. Mit 200 Mio. Euro war die Sicherheit in Sydney wohlfeil gegen über 1 Mrd. Euro in Athen.
Das wirkt sich auch auf den Spielraum der Logistiker aus. Seit der "Lock Down"-Periode Ende Juli, bei der alle Anlagen und Räumlichkeiten penibel untersucht wurden, sind Lieferungen an die olympischen Stätten nur mehr möglich, wenn vier Bedingungen erfüllt sind: Sowohl der Fahrer wie das Fahrzeug sind registriert, die Fracht wurde in Avlona versiegelt und trifft zum angegebenen Zeitpunkt ein. Schafft der Fahrer es im berüchtigten Athener Verkehr nicht, das Zeitfenster von einer Viertelstunde einzuhalten, muss er zurück und sich eine neue Auftragsnummer besorgen.
Freilich hat man es sich als Logistiker inzwischen zur Angewohnheit gemacht, Alternativpläne auf der Festplatte zu halten. Verzögerungen bei den Baumaßnahmen, erzählt Joachim Gniza, der für Schenker im Pressezentrum arbeitet, hätten oft genug die Liefertermine beeinträchtigt. Die archäologischen Notgrabungen, die ATHOC, das Komitee der Spiele, immer wieder als Grund für Terminprobleme nennt, dienen den auf dem Gelände Beschäftigten allerdings eher als Stoff für Witze denn als Erklärung.
Bis der Eröffnungszeremonie am 13. August wird freilich alles fertig und benutzbar sein. Die Sportlerinnen und Sportler werden sich freuen, die Funktionäre werden jubeln und die griechische Regierung wird ein paar Stunden vergessen, dass sie das Spektakel 7,2 Mrd. Euro gekostet hat, wie Staatssekretär Petros Doukas dieser Tage erklärte. Nur die Logistiker werden bereits mit den Plänen für die Rücklieferungen beschäftigt sein. Eine Ausnahme bildet die Ausrüstung des Mediengiganten NBC, die bis zu den Winterspielen 2006 in Europa bleibt. Und der Boden des Baseballfeldes. Den, so Richard Todorovic im Fachmagazin "Shipping Digest", könnten die Athener behalten.