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Fast hätte es gereicht. Aber nur fast. Vier Mandate fehlen der türkischen Regierungspartei AKP, um alleine eine Verfassungsänderung einzuleiten, über die dann das Volk befragt werden müsste. Immerhin ist ein neues, demokratischeres Gesetz eines der wichtigsten politischen Anliegen in dem Land.
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Dass die Verfassung nun in Zusammenarbeit mit anderen Parteien - und hoffentlich auch unter Beteiligung der Zivilgesellschaft sowie nichtstaatlicher Organisationen - erarbeitet werden muss, könnte ein großer Schritt zur Stärkung der Demokratie in der Türkei werden. Doch ist Konsens nicht unbedingt ein wesentliches Merkmal der türkischen Politik, deren Vertreter oft die Spaltungen innerhalb der Gesellschaft zu ihren Zwecken benutzt haben.
Daher hoffte Premier Recep Tayyip Erdogan, bei der Parlamentswahl am Sonntag die Macht seiner AKP noch weiter ausbauen zu können. Und die bleibt - auch wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament nicht erreicht werden konnte - weiterhin groß. Die Hälfte aller Wähler gab der konservativen Fraktion ihre Stimme.
Dem wachsenden ökonomischen und außenpolitischen Selbstbewusstsein der Türkei wird das Wahlergebnis daher alles andere als einen Dämpfer geben. Die Europäer, mit denen Ankara um eine Mitgliedschaft in der EU verhandelt, werden darauf gefasst sein müssen. Die Türkei will sich als Mediator zwischen Ost und West positionieren und wird dieses Ziel verfolgen, indem sie sich stärker im Nahen Osten und in der arabischen Welt zu profilieren versucht. Und Forderungen von der EU, die sie als ungerechtfertigten Vorwand empfindet, einen Beitritt zu verhindern, wird sie weiterhin ablehnen. Zugeständnisse für die Republik Zypern, die die Türkei nicht anerkennt, sind beispielsweise nicht so schnell zu erwarten.
Doch eine der bedeutendsten Herausforderungen für die türkische Regierung liegt im Inneren des Landes. Sie muss eine Lösung für das Kurdenproblem finden. Die größte Minderheit des Landes ringt noch immer um ihre kulturellen und sozialen Rechte. Und noch immer wird der Konflikt auch mit Waffen ausgetragen, was Woche für Woche Menschen das Leben kostet.
Seine Aussagen als Wahlkämpfer, es gebe kein Kurdenproblem mehr, darf Erdogan als Premier nicht wiederholen. Zu viel Sprengstoff bergen die bestehenden sozialen Spannungen. Eine konstruktive Rolle muss aber ebenso die pro-kurdische BDP einnehmen. Sie ist stärker als zuvor im Parlament in Ankara vertreten. Auch sie muss nun auf Konsens setzen.