Zum Hauptinhalt springen

Erdogans "EU-Beitritt"

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der offizielle Umgang mit Opposition und Medien in der Türkei zeigt deutlich, dass Präsident Recep Erdogan Demokratie recht einseitig definiert. Nun hat er das Verfassungsreferendum auf den Weg gebracht, das ihm nach dem 16. April noch mehr Macht einräumen wird. Damit nimmt sich die Türkei für den EU-Beitritt selbst aus dem Spiel, und es hat tatsächlich wenig Sinn, wenn Brüssel diesen Schein aufrechterhält.

Umso mehr, als der türkische Machthaber die Souveränität der europäischen Länder ebenfalls sehr speziell definiert. Die starke türkisch-stämmige Bevölkerung in Österreich und Deutschland wurde von ihm recht unverfroren in den türkischen Wahlkampf integriert.

Türkische Quellen finanzieren in Österreich Vereine, Kinderwohnheime und Islam-Gelehrte, die sich teilweise offen gegen die Integrationsbemühungen der Republik Österreich stellen.

Nun behauptet der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz, dass die Türkei einen massiven nachrichtendienstlichen Apparat in Österreich unterhält, der die etwa 300.000 Menschen umfassende "Community" immer stärker bespitzelt. Und die Türkei droht der EU, das Flüchtlingsabkommen zu kündigen, wenn türkische Staatsbürger nicht auf bloßes Verlangen Ankaras ausgeliefert werden. Gleichzeitig steigt in Griechenland die Zahl türkischer Flüchtlinge, die den dortigen Repressalien zu entkommen hoffen.

Diese Einmischung von Erdogans Staatsapparat in europäische Länder ist unverschämt.

Es kann ja wohl nicht sein, dass türkische Organisationen in Österreich und Deutschland Schatten-Gesellschaften aufbauen, die eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorchen.

Hier ist der österreichische Staat durchaus gefragt. Denn es geht hier nicht um den Islam, sondern um einen türkischen Staat, der - unter anderem - Religion für seine mehr als zweifelhaften Zwecke benützt.

Dass in der Türkei oppositionelle Politiker, Anwälte und Journalisten unter fadenscheinigem Vorwand im Gefängnis sitzen, ist bestürzend genug, aber in der EU haben seine Schergen nichts verloren. Der "Erfolg" des autokratischen Kurses von Erdogan lässt sich bereits ablesen. Die türkische Lira fiel ins Bodenlose, Investitionen bleiben aus, Kapital flüchtet, der Tourismus ist am Boden - von einer Wirtschaftskrise ist die Rede. Das muss sich Erdogan mit seinen Bürgern ausmachen, aber in der Türkei - und nur dort.