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Erdogans Machtwahn stiftet Unheil

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Chef des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".
© privat

Der auch im Ausland geführte Wahlkampf des türkischen Präsidenten entzweit Auslandstürken und fördert Skepsis gegen Integration.


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Mit einem Rechtsbruch hat die Türkei das Schlamassel um die Wahlwerbung türkischer Politiker in der EU angerichtet. Artikel 94 des türkischen Wahlgesetzes von 2008 legt fest: "Im Ausland und in Vertretungen im Ausland darf kein Wahlkampf geführt werden." Trotzdem reisten Minister in die EU, um unter Auslandstürken für die Zustimmung im Referendum über das Präsidialsystem am 16. April zu werben. Mehrfach folgten Verbote für Veranstaltungen oder sogar die Einreise, weil den Türken die Zustimmung der Behörden fehlte. Denn laut Völkerrecht bestimmen souveräne Staaten darüber, wer einreist. Hier rächte sich, dass es keine visumfreie Einreise für Türken in die EU gibt, weil deren Regierung mit den erforderlichen Reformen säumig ist.

Präsident Recep Tayyip Erdogan taktiert mit Provokationen, um den starken Mann zu markieren, die Türkei in eine Opferrolle zu bringen und damit seine Chancen im Referendum zu verbessern: "Wenn ich will, komme ich morgen, und wenn ihr mich nicht hinein oder sprechen lasst, gibt es einen Aufstand." In seinen Lektionen an Berlin sprach er Kanzlerin Angela Merkel stets per Du an und nannte Deutschland eine Bananenrepublik voller Nazi-Nachkommen und Faschisten.

Auf solche Pöbeleien reagiert man nicht. Entlarvend ist, dass die UNO soeben erklärte, die Türkei habe binnen eineinhalb Jahren an die 500.000 Kurden vertrieben, 1200 Zivilisten getötet und massenhaft Häuser zerstört. Die Veranstalter türkischer Wahlversammlungen in der EU hätten auch Oppositionelle einladen müssen, doch diese sind wie 150 Journalisten und tausende "Terroristen" in U-Haft - legal bis zu fünf Jahre ohne Verfahren.

Seit dem gescheiterten Putsch im Juli steht die Türkei unter Ausnahmerecht. Erdogan regiert per Dekret ohne jede Kontrolle durch Parlament oder Justiz. Diese Macht soll das Präsidialsystem zementieren. Doch das löst keines der wachsenden Probleme der Türkei. Die Wirtschaft schrumpft, die Ratingagentur Fitch stufte das Land bereits auf "Ramsch" herunter. Die Zahl der deutschen Touristen schmolz 2016 von 5,6 im Vorjahr auf 3,9 Millionen. Wovon soll der entscheidende Devisenbringer Tourismus mit Millionen Jobs leben, zumal Reisewarnungen für die Türkei erlassen werden?

Man mag die Klugheit bezweifeln, türkische Wahlkämpfe auf EU-Territorium zu verbieten. Demokratische Rechtsstaaten müssten das aushalten. Aber die Spaltung der Auslandstürken in Gegner und Anhänger Erdogans wächst ebenso wie die Skepsis gegen die Integration zugewanderter Türken. So rächt sich, dass die EU die Integration lange vernachlässigt hat. Also wuchsen sehr viele junge Deutschtürken in türkischen Verbänden auf, die naturgemäß islamisch-türkische Kultur weitergeben. Erdogans Kraftmeierei lenkt auch Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten.

Die EU reagierte nun angemessen: Man müsse Wege zur Beruhigung der Lage finden trotz "ernsthafter Bedenken" gegen das Verfassungsreferendum unter Ausnahmerecht und die Möglichkeit, Macht in einem Amt exzessiv zu konzentrieren. Das hätte Auswirkungen auf den angestrebten EU-Beitritt der Türkei.

Dieser Wink mit dem Zaunpfahl rät dringend zu Verhandlungen.