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Mit dem Abschluss der Verhandlungen Ende Juli in Wien über ein globales Übereinkommen gegen transnationales organisiertes Verbrechen hat die Staatengemeinschaft einen Durchbruch bei der Bekämpfung der internationalen Kriminalität erzielt. Zwei Jahre lang war in zehn Verhandlungsrunden mit mehr als 20 Wochen Sitzungszeit der Text dieses globalen Abkommens für Rechtshilfe, Auslieferung und umfassende Zusammenarbeit der Justiz- und Polizeiapparate erarbeitet worden. Rund 120 Delegationen beteiligten sich an den Verhandlungen.
Der Vertrag verpflichtet die Staaten dazu, ihre nationale Gesetzeslage hinsichtlich der Bekämpfung von länderübergreifend tätigen kriminellen Organisationen anzupassen und gemeinsam gegen Geldwäsche und Korruption vorzugehen. Er schafft einen globalen Mindeststandard für Rechtshilfe und Auslieferung.
Angesichts der Tatsache, dass derzeit Rechtshilfe und Auslieferung weitgehend auf das Vorhandensein von bilateralen Abkommen angewiesen sind, das Netz der bilateralen Abkommen keineswegs flächendeckend ist und Umfang und Inhalte der jeweiligen bilateralen Abkommen stark variieren, sollte der globale Mindeststandard dieser Konvention die rechtsstaatlichen Möglichkeiten, organisiertes Verbrechen in die Schranken zu weisen, beträchtlich erhöhen.
Damit diese "Mindeststandard-Funktion" aber wirklich Platz greifen kann, muss der Vertrag in Kraft treten - wofür 40 Ratifikationen nötig sind - und möglichst universell anwendbar werden.
Die Konvention soll auch das effektive Vorgehen verschiedener nationaler Behörden etwa auf dem Gebiet der gemeinsamen Ermittlungen oder bei "kontrollierten Lieferungen" erleichtern.
Die Konvention verpflichtet Staaten, die Teilnahme an einer organisierten kriminellen Organisation, Geldwäsche, Korruption sowie Behinderung der Justiz zu strafrechtlichen Tatbeständen zu machen, und ist weiters auf schwere, mit mehr als vier Jahren Freiheitsentzug zu ahnende Verbrechen, die von organisierten kriminellen Gruppen begangen werden, anwendbar.
Aus eurozentrischer Perspektive betrachtet, ist es mit diesem Vertragswerk gelungen, viele der polizeilichen und justiziellen Bereiche der EU-Zusammenarbeit mit gewissen Adaptionen auf die ganze Welt auszudehnen. Trotz langem Beharren der Industriestaaten gelang es aber nicht, die Grundsätze der OECD-Geldwäsche-Bekämpfungsgruppe Financial Action Task Force (FATF) verbatim in die Konvention einzubauen.
Entwicklungszusammenarbeit zur Verbrechensverhütung und -bekämpfung
Da die ganze Welt aber nicht die hohen EU- bzw. US-Standards in der Funktionsweise, Ausbildung und Ausstattung der Polizei- und Justizbehörden hat, sieht die Konvention auch in mehreren umfangreichen Artikeln die Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit zur Verbrechensverhütung und -bekämpfung vor. Ein eigener Fonds für technische Zusammenarbeit ist von der Konvention vorgesehen. Er soll von dem in Wien angesiedelten Zentrum für Internationale Verbrechensverhütung (Center for International Crime Prevention, CICP) der Vereinten Nationen verwaltet werden.
CICP soll weiters als Sekretariat der Konvention fungieren und die Konferenz der Vertragsparteien unterstützen, deren Ziel es ist, die Fähigkeit der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung transnationalen organisierten Verbrechens zu erhöhen und die Umsetzung der Konvention zu überprüfen. Die Konvention baut damit auf den bereits jetzt bestehenden Arbeitsschwerpunkten von CICP auf, die u. a. globale Programme zur Bekämpfung von Korruption und Menschenhandel und den Versuch einer weltweiten Karthographie des organisierten Verbrechens umfassen.
Österreichische Initiative
Dass der Vertrag - im Gegensatz etwa zu den UNO-Drogenkonventionen - eine Konferenz der Vertragsparteien vorsieht, geht auf eine österreichische Initiative zurück. Das periodische Zusammentreffen jener Staaten, die die rechtlichen Verpflichtungen aus der Konvention auf sich genommen haben, soll das Anliegen der internationalen Verbrechensverhütung und -bekämpfung auf der politischen Tagesordnung halten und Druck auf jene Staaten machen, die sich mit der Ratifikation Zeit lassen.
Außerdem sieht der Vertrag vor, dass die Vertragsparteien sich gegenseitig in den Bereichen Ausbildung der Rechtsverfolgungsbehörden, Stärkung der sozialen Kohäsion und spezifische Verbrechensprävention unterstützen, Erfahrungen austauschen und Feed-Back geben. Die Vertragsparteienkonferenz soll auch auf eine gute Zusammenarbeit mit anderen relevanten internationalen Organisationen achten und Empfehlungen für die Weiterentwicklung des internationalen Regimes zur Verbrechensverhütung und -bekämpfung ausarbeiten. Da derartige Konferenzen in aller Regel am Sitz des Sekretariats abgehalten werden, wird Wien der Schauplatz dieser Konferenzen sein.
Wien als Zentrum der UNO-Bemühungen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens wird also weiter gestärkt. Freilich wird Österreich als Sitzstaat des UNO-Verbrechensverhütungsprogrammes auch besonders gefordert sein, - in Ausweitung der jetzigen EZA-Schwerpunktbereiche - den Entwicklungsländern technische Hilfe in angemessenem Umfang im Anwendungsbereich der Konvention zu gewähren.
Die Konvention wird durch drei Zusatzprotokolle ergänzt, die sich die Bekämpfung der Schlepperei, des Menschenhandels und des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen zum Ziel setzen. Diese Zusatzprotokolle sollen im Oktober zu Ende verhandelt werden. Das Anti-Schlepperei-Protokoll geht auf eine österreichisch-italienische Initiative zurück. Für nächstes Jahr hat sich die Staatengemeinschaft schon verbindlich vorgenommen, ein internationales Rechtsinstrument gegen Korruption auszuarbeiten.
Unterzeichnung in Palermo
Die Konvention - und hoffentlich auch die drei Zusatzprotokolle - sollen während der Millennium-Assembly in New York angenommen werden. Und Anfang Dezember lädt dann Italien nach Palermo ein. Die Verhandlungen standen nämlich unter dem Vorsitz des Italieners Luigi Lauriola; der Leiter des UNO-Büros in Wien und damit oberster Chef von CICP, Pino Arlacchi, ist Italiener; überdies ist Italien traditionell einer der wichtigsten Geber des UNO-Verbrechensverhütungsprogrammes. In Palermo - auf verbrechensgeschichtlich "einschlägigem" Boden - soll die Unterzeichnung der Konvention mit öffentlichkeitswirksamen Begleitveranstaltungen über die Bühne gehen.
Botschafterin Dr. Irene Freudenschuss-Reichl ist die ständige Vertreterin Österreichs bei den Vereinten Nationen in Wien. Sie hat die österr. Delegation bei den Konventionsverhandlungen geleitet.