Nicht, dass jemand vor 1998 Infotainment in der Wiener U-Bahn ausgesprochen vermisst hätte. Man wusste ja noch nichts von der Möglichkeit, via Bildschirm am Bahnsteig oder im Zug über aktuelle News aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport informiert zu werden. Seit dem Vorjahr allerdings lässt sich der "City Channel" aus dem Wiener Untergrund nicht mehr wegdenken. Infoscreen Austria-Chef Andreas Barth sprach mit der "Wiener Zeitung" über seine Strategie "gegen die Fadesse beim U-Bahn-Fahren".
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Die Wiener Autofahrer können ganz schön nerven. "Da schenkt keiner auch nur einen Meter her", ärgert sich Barth nach etlichen vergeblichen Versuchen, sich mit dem Auto in eine endlose Kolonne einzuordnen. In Kalifornien, wo er gerade seinen Urlaub verbracht habe, sei das anders. Im Straßenverkehr seien die Amerikaner ein Muster an Höflichkeit.
Als Geschäftsführer von Infoscreen Austria plädiert Barth ohnehin für die U-Bahn als das im Regelfall optimale Verkehrsmittel, "zumal U-Bahnfahren in Wien dank Infoscreen immer abwechslungsreicher wird", wirbt er für sein Unternehmen. Infoscreen gibt es in Deutschland seit Anfang der 90er Jahre. Inspiriert vom reizarmen Umfeld in den U-Bahn-Stationen "erfand" der Münchner Markforschungsspezialist Ingo Berger damals das visuelle Informations- und Unterhaltungs-Medium mittels computergesteuerter Großbildtechnik für U-Bahnsteig und -Bahnwaggons. Nachdem sich Infoscreen erfolgreich in deutschen Großstädten etabliert hatte, startete Barth 1997 in Wien mit der Infoscreen Austria, an der 51% die Gewista und 49% Infoscreen München halten.
Gut vier Jahre später kann der 34-jährige auf eine mehr als erfolgreiche Entwicklung des neuen Mediums verweisen. "Mit 40% Umsatzplus war das abgelaufene Jahr einfach sensationell", so Barth. Das Unternehmen sei in hohem Maße profitabel, die allgemeine Akzeptanz sehr hoch. Am besten käme das Medium bei den Jungen an. Der Bekanntheitsgrad von Infoscreen liege bei 98%.
Qualität und Seriosität
Überzeugend sind auch die Ergebnisse der Media Analyse. Mit über einer Million Nutzern erreicht Infoscreen in den Wiener U-Bahnen rund 15,3% aller ÖsterreicherInnen. Die Wochenreichweite im Großraum Wien beträgt sogar stolze 53,9%. "Damit liegt unser Tausend-Kontakte-Preis (TKP) bei 2,40 Euro", rechnet Barth vor.
Im Jahr 2001 hätten sich große Kunden wie Premiere World, Gerngross, McDonalds, Mobilkom und Coca Cola in die Kundenliste von Infoscreen eingetragen. Dass Infoscreen weiter zur zum Teil schwer erträglichen Reizüberflutung im öffentlichen Stadtleben beiträgt, lässt Barth so nicht gelten: "Wir nutzen das Medium sehr bewusst, schauen auf Qualität, seriöse Berichterstattung, und tragen damit zur Meinungsvielfalt bei". Das Programm, das unter dem Titel "Your City Channel" läuft, besteht zu rund 70% aus stündlich aktualisierten, kurzen Nachrichten, Sportnachrichten, Wetter, Kulturtipps, Lokal- und Szenetipps, Buch- und CD-Besprechungen. Etwa 30% stehen für Werbemöglichkeiten offen.
Viele Fahrgäste langweilen sich laut Umfragen beim U-Bahnfahren. Barth: "Infoscreen ist in diesem Sinn eine Option, die genützt werden kann". Mittel- bis langfristig könnten auch tongestützte Infoscreens realisiert werden. Vorstellbar seien etwa abseits gelegene "Toninseln" am U-Bahnsteig. "Die wird es aber nur geben, wenn man die Möglichkeit hat, sich von der Beschallung abzugrenzen", sagt Barth. In nächster Zukunft plant Infoscreen den Ausbau der bestehenden Infrastruktur. Zur Zeit werden 33 sogenannte "Station-Anlagen" und 48 "Train-Anlagen" betrieben. Noch heuer ist eine gewaltige Aufstockung der "Train-Anlagen" in der Wiener U-Bahn auf 1.000 vorgesehen - beinahe so viel, wie die deutsche Infoscreen in der Hamburger U-Bahn (1.300) installiert hat.
Flache Hierarchie
Mit weiteren Innovationen soll auch die Kundenbindung verstärkt werden. So wurde 2001 eine Generalprobe im Schauspielhaus oder eine Malaktion der Sammlung Essl geboten. Auch ans Auto wird bei Infoscreen gedacht: "An der Verbindung von Auto- und U-Bahnverkehr, etwa im Zuge von Park & Ride-Systemen, werden wir mitarbeiten." Stolz ist Barth auf das positive Betriebsklima im Haus: "Ich habe hier ein Spitzenteam, mit klaren Verantwortungsbereichen und einer flachen Hierarchie". Die soziale Kompetenz seiner Mitarbeiter ist ihm dabei generell wichtiger als Spezialistentum. Er selbst suche als "Mensch der Mitte" mehr als alles andere Kompromiss und Konzilianz. Trotzdem sei er sehr entschieden, wenn es um Entscheidungen gehe. Wenn es notwendig sei, treffe er auch unpopuläre Maßnahmen.
Sein Management-Know-how hat Barth schon vor der Zeit bei Infoscreen erworben. Nach der Handelsakademie und diversen Studien arbeitete er als freier Theaterproduzent in Wien, danach als Marketingverantwortlicher der Wiener Festwochen. 1997 wurde er schließlich Geschäftsführer der Infoscreen Austria, Verantwortung für Osteuropa inklusive.
Infoscreen Austria Gesellschaft für Stadtinformationsanlagen GmbH, 1030 Wien, Hainburgerstraße 11, Tel.: 710 52 00 DW 320 http://www.infoscreen.at