Konkurrenz sollte mit vorschnellen Urteilen vorsichtig sein. | Strategisches Dilemma der SPÖ. | Das Ergebnis des Anti-EU-Volksbegehrens der FPÖ widersetzt sich einfachen und vorschnellen Interpretationen. Sind die 258.000 Unterschriften (oder 4,28 Prozent der Wahlberechtigten) nun ein "politischer Bauchfleck", wie die Grünen glauben, oder gar der "Reinfaller des Jahres 2006", wie die SPÖ hofft?
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Zweifellos hat die FPÖ schon besser ihre Sympathisanten zu mobilisieren vermocht. Das Volksbegehren "Veto gegen Temelin" schaffte etwa 15,5 Prozent der Wahlberechtigten - und auch angesichts der 14 Prozent, die Heinz-Christian Strache bei den Wiener Gemeinderatswahlen erobern konnte, nehmen sich die 5,25 Prozent in der Bundeshauptstadt bescheiden aus.
Dennoch sollten sich die politischen Mitbewerber nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen. Immerhin hat sich sowohl der finanzielle Mitteleinsatz der Freiheitlichen als auch die Berichterstattung der Medien - und hier insbesondere der "Kronen Zeitung" - in relativ überschaubaren Bahnen gehalten.
Aus Sicht der Strache-FPÖ hat das Volksbegehren seinen Zweck voll erfüllt: Die Frontstellung alle gegen einen ist wieder hergestellt. Damit ist die Partei wieder das, was sie Ende der 90er Jahre unter Jörg Haider schon einmal war - nämlich Sprachrohr aller EU-kritischen Protestwähler. Das ermöglicht es den Freiheitlichen, sich aufs Neue der allzu engen Einteilung nach dem Links-rechts-Schema zu entledigen und zum Sammelbecken aller Unzufriedenen zu werden.
Den anderen Parteien muss diese Entwicklung bekannt vorkommen, ist sie doch nichts anderes als die Wiederholung der Geschichte vom Aufstieg der FPÖ unter Haider. Damals wie heute versucht sich die FPÖ als Partei des kleinen Mannes zu positionieren - und bläst damit zum Generalangriff auf die Bastionen der Sozialdemokratie.
Wie soll, wie kann die SPÖ diesen Angriff auf ihre Kernwählerschichten erfolgreich abwehren? Die EU-Skeptiker auf die eigene Seite ziehen, lautet derzeit die Strategie von Parteichef Alfred Gusenbauer. Tatsächlich gibt es dazu kaum eine gangbare Alternative. Die EU ist viel zu unbeliebt, als dass sich die größte Oppositionspartei zu ihrer unkritischen Fürsprecherin aufschwingen könnte. Selbst wenn Gusenbauer es wollte, wäre es wohl wahlpolitischer Selbstmord, dieses fruchtbare Feld der FPÖ kampflos zu überlassen. Noch dazu sind mit Arbeitslosigkeit und Zurückdrängung des Staates Kernthemen der Sozialdemokratie von der europäischen Gegenwartspolitik betroffen.
Dennoch stellt die radikale Anti-EU-Rhetorik der Strache-FPÖ die SPÖ vor ein Dilemma: Sie haftet - ob sie will oder nicht - als staatstragende und auch international in zahlreichen Regierungen vertretene Partei für den gegenwärtigen Zustand der EU mit. Und ihre Versprechungen müssen im Fall einer Regierungsbeteiligung nach den nächsten Wahlen den eigenen Taten entsprechen.