SPÖ und Grüne erklären die Wahlrechtsreform offiziell für gescheitert, um schadlos in die Wien-Wahl zu gehen.
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Wien. Wie sich zwei Parteien - mit einem zumindest für die breite Öffentlichkeit uninteressanten Thema - selbst größtmöglichen Schaden zufügen können, scheinen gerade SPÖ und Grüne in Wien vorzumachen: Nach jahrelangem Hin und Her und immer raueren Tönen in den vergangenen Tagen erklärten die Koalitionsparteien am Freitag die Verhandlungen über die paktierte Wahlrechtsreform für gescheitert. Eine koalitionsfreie Abstimmung soll nun das weitere Vorgehen bestimmen, verkündeten SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler und Grünen-Klubchef David Ellensohn.
Dass dieser Streit in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde, hat beiden Parteien bisher mehr geschadet als genutzt, zumal es aus der Sicht der Bevölkerung sicherlich wichtigere Themen in der Stadt gibt. Außerdem wirkt eine Stadtregierung, die öffentlich miteinander hadert, nicht gerade vertrauenserweckend auf die Wiener. Andererseits ist es wohl besser, diesen Streit jetzt eskalieren zu lassen, als ihn mit in den Wahlkampf zu schleppen.
Denn eines ist klar: Ein Nachgeben der SPÖ in Sachen mehrheitsförderndes Wahlrecht kostet die SPÖ Macht in Form von Mandaten. Hätten wiederum die Grünen klein beigegeben, hätte sie den gesamten Wahlkampf lang der Vorwurf begleitet, eine Umfallerpartei zu sein.
SPÖ kann weiter blockieren
Doch was bedeutet jetzt die koalitionsfreie Abstimmung? Prinzipiell könnte die SPÖ mit den Stimmen der Opposition das Wahlrecht ohne eine Neuregelung der Mandatsverteilung reparieren. Ebenso könnten die Grünen den 2010 gemeinsam mit ÖVP und FPÖ unterzeichneten Notariatsakt, der den derzeit mehrheitsfördernden Faktor eliminieren würde, zur Umsetzung bringen. Aber beide Varianten würden einen Koalitionsbruch bedeuten. Und das wäre derzeit ein großes Risiko.
Trotzdem kündigten die Grünen bereits am Freitag an, in der nächsten Landtagssitzung Ende März einen entsprechenden Antrag einzubringen. Allerdings könnte die SPÖ diesen auch im Falle einer Mehrheit im Plenum blockieren: Zwar haben Grüne, ÖVP und FPÖ im Landtag 51 von 100 Stimmen. Allerdings muss vor der Umsetzung einer Novelle der zuständige Ausschuss zustimmen. Und hier hat die SPÖ 8 von 15 Sitzen. Genauso könnte die SPÖ der ÖVP auch Zugeständnisse für die Zeit nach der Wahl machen. Fraglich ist auch, ob die FPÖ angesichts ihrer eigenen Mandatsstärke an der Eliminierung eines mehrheitsfördernden Wahlrechts überhaupt interessiert ist.
Tatsache ist allerdings, dass die Grünen noch vor der Wahl erhobenen Hauptes aus diesem Konflikt herausgehen können. Denn auch wenn sie es nicht schaffen sollten, die derzeitige Mandatsverteilung zu verändern - sie haben am Ende auf jeden Fall nicht klein beigegeben und tragen auch keine Schuld am Scheitern. Denn die rot-grüne Stadtregierung hatte sich 2010 in einem im Koalitionspakt dazu verpflichtet, bis längstens Ende 2012 ein neues "faires Verhältniswahlrecht" zu erarbeiten und in Gesetzesform zu gießen. Es wurde in der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats sogar ein Antrag dazu beschlossen.
Und die SPÖ? Die hat, wenigstens in den Augen der eigenen Funktionäre, am Ende des Tages Rückgrat bewiesen - schließlich gehe der europäische Trend ohnehin in Richtung mehrheitsförderndes Wahlrecht, wie Bürgermeister Michael Häupl nie müde geworden ist, zu betonen. Und die verfassungsrechtlich notwendigen Reparaturen kann man schließlich auch ohne Mandatsveränderung vornehmen.