Neues Abkommen zum Klimaschutz muss spätestens 2009 unter Dach und Fach sein. | EU prescht nach vorne, USA, China und Indien wollen sich aber nicht festlegen lassen. | Denpasar/Wien. Kein Zweifel, die Erwartungen an Bali sind hoch - wahrscheinlich so hoch wie an noch keine andere UN-Klimakonferenz zuvor.
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Und auch wenn der UN-Klimabeauftragte Yvo de Boer in letzter Zeit immer wieder versucht hat, den Ball in Bodennähe zu halten, um mögliche Enttäuschungen präventiv abzufedern, gibt er eines unumwunden zu: "Wenn das in Bali schiefläuft, haben wir ein großes Problem".
Abschluss 2009 geplant
Dass der am 3. Dezember beginnenden zehntägigen Konferenz, an der 130 Energie- und Umweltminister sowie mehr als 10.000 Wissenschafter und Umweltaktivisten teilnehmen, so viel Bedeutung zugemessen wird, mag wohl an zwei Dingen liegen: Zum einen läuft 2012 das Kyoto-Protokoll aus, in dem sich die Signatarstaaten verpflichtet haben, ihren Treibhausgasausstoß um 5,2 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu senken. Und wenn keine Lücke entstehen soll, müssen die nun auf Bali beginnenden Verhandlung um eine Nachfolgeregelung spätesten 2009 bei der Konferenz in Kopenhagen abgeschlossen werden - wenig Zeit, vor allem wenn man bedenkt, wie weit die Positionen der maßgeblichen Akteure auseinanderklaffen.
Zum anderen hat der heuer vorgelegte Klimareport des "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC) in noch nie dagewesener Schärfe vor den Folgen einer drohenden Erderwärmung gewarnt. Die Aussicht auf massiv steigende Meeresspiegel, gewaltige Hungersnöte und lang anhaltende Dürren hat nicht nur durch die Bevölkerung einen Ruck gehen lassen, sondern auch bei vielen Politikern eine Erhöhung der Schlagzahl in Sachen Klimaschutz bedingt.
Trotz der hohen Erwartungen geht es laut dem Wifo-Klima-Experten Stefan Schleicher in Bali aber vor allem um eines: Den Verhandlungsprozess für die Zeit nach Kyoto in Gang zu bringen. "Es wäre schon großes Ergebnis, wenn es die Fristsetzung gibt, dass man 2009 eine Nachfolge-Regelung beschließt", erklärt Schleicher, der auch selbst an der Konferenz im indonesischen Ferienparadies teilnehmen wird, gegenüber der "Wiener Zeitung". Dass man sich bereits jetzt auf mehr oder weniger konkrete Reduktionsziele einlasse, hält Schleicher für wenig wahrscheinlich: "Bali ist viel mehr ein Bazar, auf dem jeder seine Meinung anbietet."
Größter und wohl auch lautester Händler am Marktplatz des Klimaschutzes ist derzeit zweifelsohne die EU. Die Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt, bis 2020 den Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent zu verringern. Sollten sich andere Industriestaaten anschließen, wäre Europa sogar zu einer Reduktion von 30 Prozent bereit. Auch wenn die Union ihre Ideen mit durchaus bemerkenswerter Vehemenz anpreist, steht sie oft allein da.
Die restlichen großen Treibhaus-Emittenten China, USA und Indien betonen zwar ihr Problembewusstsein, haben aber noch kaum Zugeständnisse gemacht, geschweige sich ins Kyoto-Boot holen lassen.
So will etwa die US-Regierung, für die konkrete Reduktionszahlen bisher immer ein rotes Tuch waren, eine Treibhausgas-Reduktion auf freiwilliger Basis und mit neuen Technologien erreichen. Bekräftigt hat US-Präsident George W. Bush diese Linie erst Ende September, als er die Vertreter der 16 Staaten mit dem höchsten Emissions-Ausstoß einlud, um mit ihnen über Maßnahmen gegen die Erderwärmung zu beraten. Dort sprach er sich dafür aus, dass es den Ländern offen stehen solle, wie sie ihr Ziel erreichen.
Dennoch gibt es laut Klimaexperten Schleicher "ganz starke Signale für eine Kurskorrektur in den USA". Viele Städte, aber auch Bundesstaaten hätten eine eigene Klimapolitik entwickelt, die sich am Kyoto-Protokoll orientiert. "Und es werden höchstwahrscheinlich auch fast alle Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen 2008 in Bali sichtbar sein. Das übt selbst auf die nur noch 14 Monate dauernde Präsidentschaft von Bush gehörigen Druck aus."
"Recht auf Wachstum"
Dass Washington in Sachen Klimaschutz im Abseits steht, hat auch folgenden Grund: Bisher haben China und Indien keine Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen übernommen. Diese pochen wiederum auf Gerechtigkeit: Auch die aufstrebenden Volkswirtschaften hätten das Recht auf Wachstum und die Möglichkeit, sich ohne Einschränkungen entwickeln zu können. Daher müssten zuerst die Industrieländer und allen voran die USA einsparen. Doch selbst China hat - wenn auch auf Umwegen - Grund zum Umdenken: Die klimaschädlichen fossilen Brennstoffe werden von Tag zu Tag knapper.
Signale wie diese mögen zwar klein sein - bei den EU-Delegierten, die in Bali bis zu 15 Stunden täglich um jede Formulierung feilschen werden, fallen sie aber dennoch auf fruchtbaren Boden.
"Denn", so sagt Helmut Hojesky, Abteilungsleiter für Imissions- und Klimaschutz im heimischen Umweltministerium, "einen Misserfolg darf es nicht geben".
Zur Person: Yvo der Boer
Yvo de Boer ist der vollendete Diplomat, nur selten lässt er sich öffentlich aus der Reserve locken. Wenn man ihn auf die Erwartung anspricht, dass in Bali der Durchbruch erreicht werde, entfährt dem 53-Jährigen aber doch ein kleines Kichern. Der Chef des UN-Klimasekretariats mischt lange genug bei Verhandlungen der UNO mit, um zu wissen, dass es bis dahin noch eine Weile dauern dürfte.
"Man muss bedenken, dass es darum geht, die Weltwirtschaft auf einen neuen Kurs zu bringen. Das ist nichts, was man in zwei Wochen erreichen kann", betont de Boer, der als Vorsitzender der Konferenz auf Bali eine der zentralen Figuren im unübersichtlichen Wirrwarr der Meinungen und Interessen sein dürfte.
Schon seit 1994 gehört der in Wien geborene niederländische Diplomatensohn zu den Experten, die über dem Kleingedruckten internationaler Klima-Abkommen schwitzen. Vor dem Abschluss des Kyoto-Protokolls 1997 bereitete er die Position der Europäischen Union mit vor - anschließend vertiefte er sich in die nicht minder komplizierten Verhandlungen über die Verteilung der Lasten des Klimaschutzes innerhalb der EU.
Seit einem Jahr ist de Boer als Generalsekretär der UN-Klimarahmenkonvention von 1992 gewissermaßen oberster Klimawächter. Ihm obliegt es damit auch, einmal im Jahr zu sagen, wie die Industrieländer mit dem Klimaschutz vorankommen.
Wissen: Kyoto-Protokoll
Die Industriestaaten haben sich 1997 auf der UN-Klimakonferenz in Kyoto zur Reduktion wichtiger Treibhausgase verpflichtet. Gemäß dem damals vereinbarten Protokoll soll der Ausstoß von sechs dieser Gase im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 verglichen mit 1990 weltweit um 5,2 Prozent gesenkt werden. Bei diesen "Kyoto-Gasen" handelt es sich um Kohlendioxyd (CO2), Methan, Lachgas, Schwefelhexafluorid, perfluorierte Kohlenwasserstoffe und wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe. CO2, das auswirkungsreichste Treibhausgas, entsteht bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe.
Das Kyoto-Protokoll ist das erste völkerrechtlich verbindliche Abkommen zur Verringerung der Treibhausgase und hat am 16. Februar 2006 Gültigkeit erlangt. Die Gesamtreduktion ist nach Ländergruppen aufgeteilt. Dabei wurde vereinbart, dass die EU ihre Emissionen um acht Prozent verringert, die USA um sieben und Japan um sechs, wenngleich die Vereinigten Staaten als bisher größter Emittent 2001 aus dem Vertrag ausgestiegen sind.
Innerhalb der EU wurden im Rahmen des "Burden Sharing" unterschiedliche Reduktionsziele ausgehandelt: Länder wie Österreich mit minus 13 Prozent oder Deutschland (minus 21 Prozent) müssen sehr hohe Einsparungen erreichen; dafür dürfen industriell schwächere Länder wie Irland oder Portugal ihre Emissionen sogar erhöhen.
Seit 2006 ist das Kyoto-Protokoll in Kraft.