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Erfolgsmodell Migrant

Von Peter K. Wagner

Politik

Josef Missethon macht Migranten in ganz Österreich jobfit. Für sein neuestes Projekt zog es ihn erstmals in die Stadt. Von der Regierung wünscht er sich ein Umdenken.


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Graz. Der Grazer Bezirk Eggenberg war lange einer der verschlafenen Teile der zweitgrößten Stadt Österreichs. Nun hat sich dort vor einigen Jahren eine Hochschule angesiedelt und weil Graz ohnehin aus allen Nähten platzt, wird hier vielerorts altem Gemäuer neues Leben eingehaucht.

So auch in der Reininghausstraße, in der die sogenannte Talenteküche eine Heimat gefunden hat. Josef Missethon renovierte ein altes Gasthaus, das seine besten Tage hinter sich hatte, um hier das zu tun, was er schon an drei Standorten in Österreich tut: Menschen an den Arbeitsmarkt vermitteln, die als besonders schwer vermittelbar gelten.

In Trofaiach, Niklasdorf und Korneuburg bereitet Missethon junge Flüchtlinge auf die Lehre vor, in Graz richtet sich sein Programm an alle Menschen mit Migrationshintergrund. 25 bis 30 Projektteilnehmer im Alter von etwa 18 bis 25 Jahren, aus Ländern wie Ungarn, Bosnien-Herzegowina, Pakistan, der Dominikanischen Republik, aber auch Syrien und Afghanistan nehmen daran teil. Voraussetzung: Aufenthaltstitel. Und Interesse an einem Beruf in der Gastronomie. Finanziert wird das Projekt zu je einem Viertel von Wirtschafts- und Sozialministerium, dem Land Steiermark sowie dem AMS. Und von letzterer Einrichtung kommen auch die Teilnehmer.

Ein Talentevermittler

"Der Startschuss war eigentlich ein Krisengipfel mit der steirischen Soziallandesrätin Doris Kampus. Sie hat die AMS, die Wirtschaftskammer und uns geladen, um einen Weg zu finden, dem Fachkräftemangel im Tourismusbereich entgegenzuwirken. Wir waren dabei, weil wir uns mit einer gewissen Zielgruppe einen Namen gemacht hatten", erklärt Missethon. Es gibt wenige Menschen, die von Zielgruppen reden, wenn es um Menschen mit Migrationshintergrund geht, die oft schwer ins Berufsleben zu integrieren sind. Aber Josef Missethon hat eben einen Weg gefunden, sie jobfit zu machen. Und er ist überzeugt, dass es Dinge gibt, bei denen Ehrenamt nicht ausreicht. Missethon war Unternehmensberater und Psychotherapeut - er ist ein Freund durchdachter Konzepte, die zuletzt sogar mit dem "Public Service Award" der Vereinten Nationen ausgezeichnet wurden.

"Wir haben die Situation genauer analysiert und erkannt, dass im Raum Graz und Graz-Umgebung ein höherer Migrationsanteil gegeben ist. Gerade in der Gegend, in der sich unser Projekt jetzt befindet, liegt der Migrationshintergrund der Bevölkerung bei 40 Prozent." Seit Februar hat die Talenteküche ihre Pforten geöffnet, es ist das erste Missethon-Projekt in urbanem Umfeld. Und das ist kein schickes.

Graz-Eggenberg verdankt zwar seinen Namen einem barocken Schloss, aber abseits dessen bietet die Umgebung wenig Prunk. Hier gab es nur ein paar Straßen weiter vor einigen Jahren noch den letzten echten Slum der Stadt, die anderen Lokale, die in der näheren Umgebung in den letzten Jahren eröffnet haben, sind ein georgischer Lieferdienst und ein kroatischer Bäcker.

Die moderne, schön eingerichtete Talenteküche sticht in dieser Umgebung positiv heraus. Zwischen 10 und 16 Uhr hat das Lokal täglich geöffnet und bietet Speis und Trank - mit wechselnden Mittagsmenüs. Innerhalb der großzügigen Räumlichkeiten der Gaststätte befinden sich auch zwei Schulungsräume, in denen Sprachkurse in zwei Leistungsgruppen, aber auch Fachkurse angeboten werden.

"Nur, wenn sie bereit sind"

"Wir haben mit September bereits zehn Menschen einen Lehrplatz vermittelt", erzählt Missethon stolz, als er zur Mittagszeit im Gastraum des Lokals Platz nimmt. Im Hintergrund kann man durch ein breites Fenster in die Küche blicken, daneben werden in einer Glasvitrine Produkte des Hauses präsentiert, die der Gast erstehen kann. "Das ganze Projekt profitiert enorm von den Kontakten, die Isabella Huber hat", sagt Missethon und blickt die Gelobte an, die sich neben ihn setzt.

Isabella Huber ist Projektleiterin und keine Unbekannte der Szene, ist sie es doch, die den Lehrabschlussprüfungen der steirischen Gastronomie vorsitzt. "Ich weiß, was die Betriebe verlangen und worauf sie wertlegen. Darauf achten wir hier besonders", erklärt Huber. Und ergänzt: "Ich habe ganz viel Druck, weil viele Betriebe auf der Suche nach Lehrlingen sind. Aber ich schicke Leute nur, wenn ich der Meinung bin, dass sie bereit sind."

Neben Unterricht erwartet die Projektteilnehmer, die meist männlich sind, in der Talenteküche auch Praxistraining. "Wir bieten einen sicheren Rahmen, in dem die Teilnehmer auf die Lehrzeit vorbereitet werden. Jede Woche holen wir sechs von ihnen aus dem Unterrichtsraum in die Küche beziehungsweise ins Service des Lokals", sagt Missethon. Dort wird serviert und gekocht, ganz so wie später im Beruf.

Dass die Menschen, die hier ihre Karriere als Gastronomiefachkräfte starten sollen, aus unterschiedlichsten Ländern kommen, sieht Huber als Vorteil. "Dadurch ist Deutsch die Umgangssprache untereinander." Aufgebaut ist das vom Programm modular. "So ist es mit dem AMS-System kompatibel, da man jederzeit einsteigen kann."

Seit November 2015 integriert Josef Missethon Menschen in den Arbeitsmarkt. Die GmbH dahinter firmiert unter dem Namen "Institut für Talenteentwicklung" und sein System war auch bereits Anlass einer 62 Fragen umfassenden schriftlichen Anfrage der FPÖ an die steirische Landesregierung. Es ist eben ungewöhnlich, dass jemand Integration auf professionelle Beine stellt. Der Schluss liegt nahe, dass mit einer Vielzahl von Initiativen wie jener von Missethon die Stimmung gegenüber Flüchtlingen in diesem Land nicht dermaßen gekippt wäre.

Fachkräfte von den Kanaren

Auch die Regierung fährt einen härteren Kurs. Für Missethon ist das allerdings nur bedingt ein Problem. Migranten mit positivem Aufenthaltsbescheid würden am Arbeitsmarkt funktionieren, wenn man sie gut genug vorbereite. Da habe auch die Regierung nichts dagegen. Für Asylwerber sei es weit komplizierter. "Es gibt eine klare Haltung der Regierung, dass es problematisch ist, diese Menschen zu vermitteln, weil es nicht klar ist, ob sie einen positiven Bescheid erhalten. Das führt auch dazu, dass sich Arbeitgeber unsicher sind, ob sie gewisse Lehrlinge noch aufnehmen sollen", sagt er.

Missethons Haltung zum Thema Asylwerbern eine Lehre zu ermöglichen, ist wenig überraschend. Er wünscht sich, dass sie nicht abgeschoben werden. "Aus dem ganz einfachen Grund", sagt er, "dass wir sie wegen der demografischen Entwicklung brauchen. Das ist eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit."

Josef Missethon denkt aber ohnehin schon weiter. Vier Standorte hat seine Unternehmung in Österreich inzwischen, der erste Standort im Ausland ist auch bereits eröffnet worden. Auf den Kanarischen Inseln. Dort gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit, sagt Missethon, aber viele Fachkräfte, die Österreich gut gebrauchen könnte. 2019 sollen die ersten spanischen Talente in die Alpenrepublik kommen.