Das Kaufhaus des Westens in Berlin ist weltberühmt. Nun plant die Signa-Gruppe den Bau eines Pendants in Wien. Eine Verzögerung soll es trotz Corona-Krise nicht geben.
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Die Cowboystiefel knallen auf den Holzboden des Durchgangs, der zu Renovierungszwecken den Gehsteig ersetzt. Eine Person verlässt das KaDeWe in Berlin über den Seitenausgang hinaus zur Passauer Straße. Menschen drehen sich um, Blicke heften sich an die Gestalt. Der schwarze Hut hat eine Spannweite von Schulter zu Schulter und der bodenlange beige Mantel umwickelt die von Wohlstand strotzende Figur.
"Das KaDeWe verkauft nichts, was man wirklich zum Leben braucht. Aber wir erfüllen Träume, erwecken Sehnsüchte, inspirieren und begeistern unsere Kunden mit einer sich weitererzählenden Geschichte", so eine Sprecherin der KaDeWe-Gruppe in Berlin.
Es sind die oberen Zehntausend, für die der Geschäftsmann Adolf Jandorf im Jahr 1907 das Kaufhaus des Westens in Berlin gegründet hat. Aber auch die Wünsche der allerobersten Fünfhundert wollte er erfüllen. Über 100 Jahre später plant seine Nachfolgerin, die KaDeWe-Gruppe, die zu 49,9 Prozent der österreichischen Signa-Gruppe von René Benko gehört, ein Kaufhaus nach dem Berliner Vorbild in Wien. 2024 soll es an der Ecke Mariahilfer Straße und Karl-Schweighofer-Gasse eröffnet werden, wo bisher die Leiner-Zentrale steht.
An diesem Zeitplan soll sich nichts ändern, man hält am Abbruchtermin Anfang 2021 fest, bestätigt ein Pressesprecher der Signa-Gruppe. Diese ist Alleineigentümerin von Galeria Kaufhof Karstadt, der Warenhauskette, die in Deutschland wegen der Corona-Krise mit finanziellen Problemen kämpft. Aktuell befindet man sich im Schutzschild-Insolvenzverfahren, währenddessen das Geschäft weitergeführt werden darf. So soll eine Pleite eventuell doch noch abgewendet werden. Bis Juni laufen die Verhandlungen, dann soll das Insolvenzverfahren beginnen. Laut deutschen Medienberichten könnten bis zu 50 Prozent der 170 Filialen geschlossen werden. Rund 35.000 Beschäftigte blicken in eine ungewisse Zukunft. Eine sichere Zukunft scheint dagegen das Premium-segment, die Luxusbranche, in Aussicht zu stellen.
Traditionelles Konzept trifft moderne Stadt
Stilberater suchen Kleidungsstücke zusammen, während die Kunden Champagner schlürfen. Mitarbeiter der im Haus niedergelassenen Schneiderei sind auf Abruf zur Stelle. Es gibt Schönheitssalons und einen kostenlosen Limousinen-Service im KaDeWe Berlin. In der Feinkostabteilung ist nur makelloses Obst ausgestellt. Hier werden auch Lebensmittel verkauft, deren Import eine Sondergenehmigung erfordert. Wer will, kann sich das Essen vor seinen Augen zubereiten lassen und mit teuren Spirituosen aus der angrenzenden Abteilung vor Ort im Restaurant genießen. 50 Prozent der Kunden des Luxuskaufhauses in Berlin seien Einheimische.
Auch das Berliner Original befindet sich am Ausgangspunkt einer Einkaufsstraße. In der Tauentzienstraße befinden sich unter anderem Peek & Cloppenburg und das Europa-Center, das, ähnlich wie das Kaufhaus Gerngross in Wien, verschiedene Läden enthält, darunter den Elektrofachhandel Saturn. In Berliner hat sich die Einkaufsstraße erst nach dem Bau des KaDeWe entwickelt. In Wien soll es nun andersherum laufen.
Das könnte Auswirkungen auf die Entwicklung des bestehenden Einzelhandels haben, sagt Wifo-Handelsexperte Jürgen Bierbaumer-Polly. Das KaDeWe wird die Menschen anziehen. Darunter wohlhabende Touristen, die in Wien voraussichtlich den Großteil der Kundschaft ausmachen werden, zumal auch ein Hotel zum Gebäudekomplex gehören wird. Aber auch Leute, die Interesse an der konsumfreien Zone, einer begrünten Dachterrasse, finden, werden den gut angebundenen Standort in der unteren Mariahilfer Straße noch attraktiver machen. Durch die steigende Kundenfrequenz könnten sich die Mieten in der Umgebung erhöhen, und das wiederum könnte Auswirkungen auf die Anbieter in den umliegenden Geschäften haben und woanders zu Leerständen führen.
Beschwerden gab es laut der Bezirksvorstehung bisher keine. In Mariahilf freut man sich auf das neue Kaufhaus. "Die positive Entwicklung der Mariahilfer Straße nach dem Umbau ist sehr erfreulich. Wir freuen uns auf jede Investition, die die Lage aufwertet und neue Arbeitsplätze bringt", erklärt Markus Rumelhart, der Bezirksvorsteher. Auch der Wirtschaftskammer Wien liegen noch keine Rückmeldungen vor, sie beobachtet die Entwicklung und ist mit dem Bauträger im Gespräch. Eine Pressesprecherin betont, dass Betriebsansiedlungen zur Vielfalt und Belebung des Grätzels beitragen sollen.
"Heute reicht es nicht mehr aus, bloß Geschäftsräume anzubieten. Um die Kunden im Haus zu behalten, muss man auch Erholungsbereiche und eine Gastronomie bieten", sagt Bierbaumer-Polly. In Konkurrenz steht vor allem der Onlinehandel. Die EHL Immobiliengruppe hat in ihrem Geschäftsbericht von 2019 festgehalten, dass in der Zwischenzeit jeder achte österreichische Einkaufseuro online ausgegeben wird und fast die Hälfte der Konsumenten regelmäßig online einkauft.
Um so wichtiger für den stationären Einzelhandel sind die Touristen. In Berlin gab es mit 33 Millionen Übernachtungen im Jahr 2018 einen Anstieg um 5,5 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Laut einem Bericht der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung machten die Berlin-Besucher aber schon im Jahr 2016 mit 31 Millionen Übernachtungen ein zusätzliches Umsatzpotenzial von 3,0 bis 3,5 Milliarden Euro aus. "Bei einem geschätzten Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro im Berliner Einzelhandel entspricht das rund 15 bis 17 Prozent - und ist damit ein nennenswerter Anteil."
Auch in Österreich sind die Tourismuszahlen in den vergangenen Jahren gestiegen. Laut EHL waren sie im Jahr 2018 für ein Umsatzplus von nominal 1,8 Prozent verantwortlich. Doch laut "WienTourismus" wirft die Corona-Krise den Städtetourismus nun um mehr als zehn Jahre zurück, etwa auf das Niveau 2008. Prognosen gehen davon aus, dass Wien für dieses Jahr 40 bis 50 Prozent weniger Nächtigungsumsatz macht.
Erlebniswelten sollen geschaffen werden
Neben Touristen aus Russland und dem asiatischen Raum waren in den vergangenen zehn bis 15 Jahren auch Millenials für die gestiegene Nachfrage im Luxussegment verantwortlich, die ihr Geld für Produkte in der höheren Preisklasse ausgaben, erklärt Bierbaumer-Polly.
Außer einem luxuriösen Ambiente setzt die KaDeWe-Gruppe auf den Markenmix und die Präsentation der Ware. Die Sinne sollen angeregt und Emotionen geweckt werden. Die Kunden sollen vor Ort Waren entdecken und sie sich anschließend nach Hause liefern lassen können. Laut einer KaDeWe-Sprecherin hat das neue Konzept in den bereits fertiggestellten Abteilungen in Berlin einen 30- bis 40-prozentigen Umsatzzuwachs in den ersten zwei Jahren eingebracht. Die Hälfte der Umbauten ist schon geschafft, 2023 will man sie abschließen.
Seit 2016 werden auch die beiden Schwesterkaufhäuser, das Oberpollinger in München und das Alsterhaus in Hamburg, umgebaut. Die KaDeWe-Gruppe, deren Hauptanteilseigner die thailändische Central Group ist, investiert mindestens 450 Millionen Euro in die Umbauarbeiten, davon 300 Millionen Euro allein in Berlin. Für den Bau des Wiener KaDeWe und seine moderne Ausrichtung wird mit Ausgaben von bis zu 400 Millionen Euro gerechnet.
In Berlin sitzen die Menschen von einer Glaskuppel überdacht in der obersten Etage des KaDeWe und schauen durch riesige Fenster raus auf den Ku’damm, die berühmteste Einkaufsstraße Berlins. Bei Kaffee und Kuchen über den Dächern der Stadt kann sich jeder wie ein König fühlen, egal ob Kunde oder nicht.
Im ersten Quartal rückläufige Konsumausgaben in Österreich
Der Konsum ist durch die Pandemie generell zurückgegangen. Deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten zufolge gehen die privaten Konsumausgaben der Deutschen im Frühjahr 2020 um mehr als 7 Prozent zurück. In Österreich sind sie im ersten Quartal um 3,6 Prozent gesunken.
Das Kaufhaus des Westens als ein Konsumerlebnis für die oberen Zehntausend und allerobersten Fünfhundert. Von ihrer Nachfrage hängt der Erfolg des Luxuskaufhauses auch in Wien maßgeblich ab. Ob diese ausreicht, wird sich in der nahen Zukunft zeigen.