Der Klubchef der ÖVP Wien, Markus Wölbitsch, im Interview mit der "Wiener Zeitung".
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Der Wiener Budgetentwurf wird heute, Freitag, beschlossen. Der Voranschlag, der unter anderem die Aufnahme neuer Kredite vorsieht, wird wohl nur mit den Stimmen der Regierungsparteien SPÖ und Neos beschlossen werden. Den von der Opposition kommt erwartungsgemäß scharfe Kritik. Die "Wiener Zeitung" hat im Vorfeld mit dem Chef der stärksten Oppositionspartei, ÖVP, Markus Wölbitsch gesprochen.
"Wiener Zeitung": Es muss frustrierend sein, bei den Wahlen klar zweitstärkste Partei zu werden und trotzdem wieder nicht mitzuregieren. Was muss die ÖVP machen, um doch wieder einmal dabei zu sein?Markus Wölbitsch:Die Frage ist eher, was die SPÖ tun hätte müssen. Der Wahltag war für uns auf jeden Fall ein Erfolg: Wir waren die Partei, die am meisten dazugewonnen hat. Jetzt haben wir eben eine rot-rote Koalition, bei der sich ein Partner abräumen hat lassen. Aber: Wir sind die stärkste Oppositionspartei und haben 22 Abgeordnete sowie zwei Stadträtinnen. Das ist für unsere Arbeit sehr wichtig, denn die Regierung wird uns viel zu tun geben.
Wie wird sich Ihre Oppositionsarbeit mit der neuen Stärke ändern?
Oppositionsarbeit können wir sehr gut, wir werden unsere Themen entsprechend auf den Boden bringen. Wir haben jetzt mehr parlamentarische Mittel und Möglichkeiten. Ohne uns wird es dank unserer Mandatsstärke seitens der Opposition keine Untersuchungskommission geben. Hier werden wir themenbezogen natürlich mit den anderen Oppositionsparteien kooperieren. Die wesentlichste Rolle werden wir sicherlich in den Ausschüssen spielen. Wir haben nun die Möglichkeit, im Alleingang Sonderausschüsse einzuberufen, wenn es notwendig ist, oder es Aufklärungsbedarf gibt. Eine große Anzahl an Mandataren ist auch inhaltlich ein großer Vorteil. In den Ausschüssen können wir uns intensiver um mehr Themen kümmern. Wir können jetzt genauer hinschauen - etwa wofür Förderungen und Subventionen verwendet werden und ob die überhaupt bei den Menschen ankommen, die diese Unterstützung brauchen. Und wir wurden für unsere Mitte-rechts-Politik mit Anstand gewählt - das setzen wir nun als stärkste Oppositionspartei im Rathaus um.
Gibt es zurzeit eine Untersuchungskommission, die sie gerne einberufen würden?
Aktuell reizt niemanden in diesem Land eine Untersuchungskommission. Jeder will wissen, wie möglichst rasch die Corona-Krise bekämpft werden kann. Das ist unser Hauptfokus und hoffentlich auch der der Stadtregierung.
Was ist da noch zu tun?
Unter anderem fordern wir eine Entlastung der Unternehmer. Aber das hat die Stadtregierung nicht in Angriff genommen; weder im Regierungsübereinkommen noch im Budget. Auch die Neos, die da viel vor der Wahl versprochen haben, haben diesbezüglich nichts durchgesetzt.
Sie sind offenbar nicht sehr zufrieden mit der Rolle der Neos. Warum? Vor allem vor dem Wahlkampf hat deren Politik doch über weite Strecken wie ein Paarlauf mit der ÖVP gewirkt.
Die Neos sind bedingungslos in diese Koalition gegangen und haben dabei so ziemlich alle Prinzipien über Bord geworfen, die sie davor hatten. Das Regierungsprogramm und das Budget, das wir derzeit diskutieren, sind eine Riesenblamage für eine ehemals wirtschaftsliberale Partei. Es gibt keinerlei Entlastungsmaßnahmen für Unternehmen, keine Senkung der Gebühren, keine Tourismuszonen, keine Liberalisierung von Ladenöffnungszeiten. Auch die Pensionsreform in Wien wird nicht angesprochen. Dabei haben die Neos auf Bundesebene da immer ein viel härteres Vorgehen eingefordert. Im Wiener Regierungsprogramm ist jetzt nicht einmal ein "Arbeitskreis" dazu enthalten, den die Neos ja ebenso lieben wie "Evaluierungen". Das sind übrigens meine persönlichen Unwörter des Jahres. Die Neos sind zu den Privilegienrettern der Privilegienritter geworden. Das widerspricht komplett dem Gründungsethos der Neos und einem Matthias Strolz, der noch enkelfitte Pensionen gefordert hat.
Also bei den Gebühren beispielsweise steht schon im Regierungsprogramm, dass diese auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden sollen.
Genau das meine ich ja mit "Evaluierung" und "Arbeitskreisen". Ganz ehrlich: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründe ich einen Arbeitskreis. Ich behaupte einmal, dass man in den Regierungsverhandlungen, wenn man nicht mehr weiterwusste, gesagt hat: "Das verpacken wir in einen Arbeitskreis und evaluieren es irgendwann einmal." So wie ich die SPÖ kenne, ist das ein Themenbegräbnis erster Klasse. Auch bei den Entlastungen für Unternehmen wurden keine Maßnahmen getroffen, sondern lediglich ein Arbeitskreis vereinbart. Dass da die Neos mitgemacht haben, ist schade für ihre Wähler. Aber gut: Für diese Menschen werden wir in nächster Zeit ein Angebot sein. Auch die Transparenzforderungen der Neos lösen sich in Schall und Rauch auf.
Wieso? Es gibt jetzt doch sogar einen Stadtrat für Transparenz.
Das erste Erlebnis, das wir mit Stadtrat Wiederkehr hatten, war, dass wir in den Ausschüssen auf einmal weniger Unterlagen und Informationen erhalten haben als vor der Regierungsbeteiligung der Neos. Wir erhalten keine Tätigkeitsberichte mehr für Vereine, die Subventionen bekommen. Der Opposition werden auch keine Finanzierungskonzepte mehr vorgelegt. Das hat dazu geführt, dass wir beim Wiederkehr-Ressort 54 Vorschlägen nicht zustimmen konnten, weil wir einfach keine Basis hatten, auf der wir die Entscheidung hätten treffen können. Es ist schon skurril, dass beim Vizebürgermeister, der auch für Transparenz zuständig ist, jetzt weniger Unterlagen da sind als vor der Regierungsbeteiligung.
Haben sie bei Christoph Wiederkehr schon persönlich nachgefragt? Er ist ja erst seit nicht einmal einem Monat im Amt. Vielleicht hat er noch mit der Eingewöhnungsphase zu kämpfen? Als sie ihr Amt seinerzeit antrat, soll ja die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou die ersten Tage nicht einmal einen Bürosessel erhalten haben.
Ich glaube, dass die SPÖ schlicht und einfach ansagt, was zu geschehen hat, und das wird sie auch weiterhin machen. Wir haben eine rote Stadtregierung und die Neos dürfen ein bisschen mitspielen, aber in Wahrheit spielen sie in der Stadtregierung keine Rolle. Nachdem die Koalition stand, gab es ein Foto, auf dem die neue Stadtregierung präsentiert wurde. Da waren alle drauf außer dem Einzigen, der nicht von der SPÖ ist: Vizebürgermeister Wiederkehr. Das ist für mich ein Sinnbild des Koalitionsverständnisses der SPÖ. Da habe ich aber auch kein Mitleid mit Herrn Wiederkehr. Denn wir haben beide in der Oppositionsarbeit die SPÖ erlebt: wie überheblich regiert wird, wie das SPÖ-System mit Steuergeld aufgezogen wird, wo Milliarden versickern - Stichwort Krankenhaus Nord. Das alles war absehbar, auch wie die SPÖ die Koalition verhandeln wird. Da muss man irgendwann die Reißleine ziehen und sich seine Würde und Glaubwürdigkeit bewahren.
Zurzeit gibt es nur ein Thema: Corona. Wie schaut es danach aus? Sagen wir: zweite Hälfte 2021. Was werden dann die wichtigen Themen sein?
Eines wird sicher sein, wie wir Arbeitsplätze in der Stadt schaffen und erhalten. Das war in Wien schon vor Corona schwer genug. Wir sind in Wien Schlusslicht bei den Arbeitslosen. Auch was das Wirtschaftswachstum betrifft, ist die Stadt sehr weit hinten. Deshalb finde ich es schade, dass die Stadtregierung nicht mehr Geld in die Hand nimmt, um in gewisse Zukunftsbereiche zu investieren. Gleichzeitig kann sie das auch gar nicht, weil sie mit dem hohen Schuldenberg, den die SPÖ über die letzten Jahre angehäuft hat, kaum Manövriermasse hat.
Wie hat sich das Verhältnis der ÖVP zur SPÖ entwickelt? Es hat ja immer Hintertüren für ernsthafte Gespräche gegeben, etwa über die Wirtschaftskammer, deren Chef Walter Ruck zu Michael Häupl immer ein gutes Verhältnis gehabt hat, beziehungsweise jetzt offensichtlich zu Michael Ludwig hat.
Es gibt da ein Bild, das das recht gut beschreibt: Michael Ludwig hat am Anfang rechts geblinkt und ist dann links abgebogen. Das gilt auch jetzt in der neuen Regierung. Inhaltlich tue ich mir da schwer zu sehen, wo es Überschneidungen geben kann. Wenn ich beispielsweise an das Thema Integration und Migration denke, so hat Ludwig da am Anfang Zeichen gesetzt, die an eine Trendwende in der Wiener Willkommenskultur glauben haben lassen. Das kann man aber vergessen, wenn man sich das Regierungsprogramm ansieht und den Integrationsstadtrat, der kaum Ambitionen hat, die Deutschpflicht in verschiedenen Bereichen zu verstärken oder Integration nicht nur zu fördern, sondern auch einzufordern. Deshalb hat es wahrscheinlich auch nicht mit den Koalitionsverhandlungen geklappt. Auf persönlicher Ebene begegnet man sich natürlich immer menschlich und dass die Sozialpartner einen anderen Auftrag haben als eine politische Partei, ist auch klar. Unsere Aufgabe als neue Volkspartei ist es, eine solide Oppositionsarbeit zu machen, zu kontrollieren, und da haben wir mit einer Fast-Alleinregierung SPÖ genug zu tun.