Ägypten zählt zu den größten Drehscheiben für illegalen Organhandel. | Vor allem die Ärmsten sind betroffen. | Kairo. Soheila, die aus einem kleinen ägyptischen Dorf stammt, hat ihre Niere für 2185 Dollar verkauft. Für die dreifache Mutter war das die einzige Möglichkeit, um genügend Essen auf den Tisch der Familie zu bekommen. Die 32-Jährige ist allerdings nur eine unter vielen, die in Ägypten ein Organ verkauft haben. Der illegale Organhandel floriert hier nicht zuletzt auch deshalb, weil es keine legale Basis für Transplantationen gibt. In der Praxis lassen die Ärzte Organspenden daher nur unter ganz bestimmten Bedingungen und unter Familienmitgliedern zu. Doch das könnte sich bald ändern.
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Ägypten, das eine der größten Drehscheiben für den Organhandel darstellt, arbeitet derzeit nämlich an einem Gesetzesentwurf, der eine Legalisierung von Organspenden hirntoter Patienten vorsieht. Auf diese Weise soll die Nachfrage nach illegal entnommenen Organen sinken. "Meine Niere herzugeben ist besser, als in einem möblierten Apartment zu arbeiten", sagt Soheila. Der Ausdruck "in einem möblierten Apartment arbeiten" ist in Ägypten ein gebräuchlicher Euphemismus für Prostitution. "Aber das wäre gegen meine Würde gewesen", sagt Soheila. "Und da ich auch nicht stehlen wollte und es keinen anderen Weg gab, an Geld zu kommen, habe ich ein Organ verkauft." Viele andere Ägypter wurden laut der "Coalition for Organ Failure Solution", einer Selbst- und Rechtshilfegruppe, mit Tricks und unter Vorspieglung falscher Tatsachen zur Organspende überredet.
Spende wird bald bereut
Nicht weniger als achtzehn andere islamische Staaten, darunter das konservative Saudi-Arabien und der schiitische Iran, seien in Bezug auf Organtransplantationen liberaler als Ägypten und erlaubten die Organspende von Hirntoten, sagt der Abgeordnete Hamdy al-Sayed, der den Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht hat. Weder kenne das ägyptische Recht den Begriff "hirntot" noch gebe es einen legistischen Rahmen für Organspenden.
Die meisten kommerziellen Nierenspender in Ägypten sind junge Männer, die den Verkauf ihres Organs später bereuen. Vier von fünf Betroffenen erleben nach der Entnahme eine deutliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes. Das Geld, das sie mit der Spende verdient haben, ist allerdings bereits nach fünf Monaten wieder ausgegeben. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellen die aus ärmlichen Verhältnissen stammenden kommerziellen Spender zehn Prozent der weltweit transplantierten Nieren zur Verfügung. Der Preis für eine Niere liegt in Ägypten laut WHO-Berechnungen zwischen 1700 und 2700 Dollar.
"Wir können den Organhandel, bei dem die Armen ihre Organe an zwielichtige Geschäftemacher verkaufen nicht stoppen, wenn es kein entsprechendes Gesetz gibt", sagt Alaa Ghannam von der Menschenrechtsorganisation "Egyptian Initiative for Personal Rights". Das nun erarbeitete Gesetz, über das das Parlament in den nächsten paar Wochen abstimmen soll, sei da ein entscheidender Fortschritt. Der Entwurf sieht unter anderem die Schaffung einer Warteliste für Empfänger und hohe Strafen für illegal transplantierende Ärzte vor. Die Organentnahme von toten Spendern soll vom Staat überwacht werden. Um mögliche interreligiöse Spannungen zu vermeiden, dürfen Organe zudem nur innerhalb einer Konfessionsgruppe transplantiert werden. Auch sollen Ägypter nur Organe von Ägyptern bekommen dürfen.
Muslimbrüder üben Kritik
Falls das Gesetz, das auch die Zustimmung von Präsident Hosni Mubarak und der staatsnahen religiösen Institutionen besitzt, angenommen wird, dürfte die Zahl der legalen Transplantationen sprunghaft ansteigen. Aus derzeit 1000 pro Jahr könnten dann 40.000 werden. Sorgenfalten bereit diese Zahl den ägyptischen Ärzten aber offenbar nicht. So besitzt das Mansoura-Universitätsspital in Kairo nach eigenen Angaben bereits die Kapazitäten, um mit einem derartigen Ansturm fertig zu werden.
Kritik kommt jedoch von den Muslimbrüdern. "Der Tod des Gehirns ist nur eine Krankheit", sagt der für die einflussreiche Verbindung im Parlament sitzende Al-Sayed Abdel Maksoud Askar. Seiner Ansicht nach tritt der Tod erst mit dem Ende des Herzschlages ein, was die dann entnommenen Organe aber zumeist unbrauchbar für die Verpflanzung macht.