Clown Gnarr wird nach Banken-Kollaps Bürgermeister von Reykjavik.
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Reykjavik/Athen. Die Isländer haben hinter sich, was den Griechen noch bevorsteht: den totalen Kollaps des Finanzsystems. 2008 brachen die Kaupthing-Bank und Icesave zusammen, die Bürger der Atlantik-Insel verloren - neben unzähligen Briten, Deutschen und Holländern - ihr mühsam Erspartes. Islands Wirtschaft lag darnieder. Plötzlich war Arbeitslosigkeit - ein Phänomen, das die Isländer nie gekannt haben - Thema der Stunde. Erstmals mussten viele Wikinger-Nachfahren jede Krone zweimal umdrehen, bevor sie zum Kauf schreiten konnten. Damit waren die Inselbewohner, die jahrzehntelang im Wohlstand lebten, in die skurrile Situation geraten, echten Mangel bewirtschaften zu müssen.
Nach einer Schockstarre beschlossen die Bewohner der Hauptstadt Reykjavik, die Sache mit Humor zu nehmen. 2010 wählten sie den Komiker Jon Gnarr zum Bürgermeister, der im Wahlkampf immerhin versprochen hatte, nur sich selbst und seine engsten Freunde bereichern zu wollen. Gemeinsam lachen gegen die Krise, so das Motto des Mittvierzigers, der seine Fraktion wenig bescheiden die "Beste Partei" (Besti Flokkurinn) nannte. Von Politik habe er zwar keine Ahnung, erklärte er vor der Wahl. "Ich bin noch etwas grün hinter den Ohren": Das waren genau die Töne, die die Isländer hören wollten. Denn nach dem Finanz-Kollaps wollte man mit Politikern im herkömmlichen Sinn nichts mehr zu tun haben. Gnarr versprach, dass er alle seine Versprechen brechen werde. Er stellte in Aussicht, das Parlament bis 2020 drogenfrei zu machen und die Isländer wussten, wen sie wählten. Schließlich kannten sie Gnarr seit mehr als einem Jahrzehnt als Komiker in Fernsehserien, Filmen und Radioshows.
Seine Amtszeit als Bürgermeister Reykjaviks eröffnete der Spaßmacher unorthodox: Er erschien mit blonder Perücke, üppigem falschen Busen und knallrot geschminkten Lippen ausgestattet bei einem Homosexuellen-Festival und verkündete, dass der Bürgermeister "leider nicht persönlich erscheinen" könne. Dann machte er sich an den Ausbau der direkten Demokratie und ließ die Reykjaviker über die Einführung einer Katzensteuer abstimmen. Sich selber bezeichnet Gnarr als "liberalen Sozialisten", wobei er betont, dass seine Bewegung keine Ideologie und nur sehr wenige Mitglieder habe.
Nach zwei Jahren im Amt ist Gnarr in der wenig heiteren politischen Realität angelangt - wie die von ihm regierten Reykjaviker erkennen mussten. Die fanden die Strompreiserhöhung, die ihnen von Gnarr aufgebrummt wurde, nicht besonders komisch. Gnarr beschwor seine Landsleute in der Folge, nicht gegen die Entschädigung ausländischer Icesave-Kunden zu stimmen, da sonst die EU-Perspektiven des Landes minimiert würden. Ganz normale Politik also, an der die Clownnase nicht viel ändern konnte.
Griechen lachen nicht
Während sich in Island die Wirtschaft nach dem Banken-Kollaps wieder erholt hat und die Menschen in dem Sozial-Paradies nicht wirklich Hunger leiden müssen, sieht die Lage in Griechenland anders aus. Dort sind Arbeitslosigkeit und Hunger so allgegenwärtig, dass längst niemandem mehr zum Lachen zumute ist. Trotzdem gibt es auch hier skurrile Parteien - etwa jene, deren Name Programm ist: "Ich zahle nicht." An bekannte kindliche Trotzreaktionen gemahnt die Bezeichnung einer anderen Partei, die sich schlicht und einfach "Nein" nennt. Mehr als 50.000 Griechen schenkten der Fraktion ihr Vertrauen und ein zweiter Wahlgang steht bevor.