Zum Hauptinhalt springen

Erholung der USA - auf Sand gebaut

Von Markus Schuller

Gastkommentare

"Wenn es aufwärts geht, braucht man sie nicht. Und wenn es abwärts geht, will man sie nicht." So lautet ein Wall-Street-Witz über Analysten. "Wen kümmert es?", könnte man also angesichts des negativen Ausblicks von Standard & Poors für das Kreditrating der USA fragen: Dieser bestätigt nur jene Marktteilnehmer, die den Nachkrisen-Höchstständen an den US-Aktienmärkten ohnehin misstrauten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zweifelsohne gibt es Anzeichen der Erholung im produzierenden Gewerbe, selbst im Mittelstand. Der Privatsektor schafft seit Herbst 2010 stabil mehr als 100.000 neue Jobs im Monat. Das Wachstum ist bestimmt durch Exporte und Konsum - so soll es sein. Woher also das Unbehagen?

Der Schumpeterschen Logik der "Kreativen Zerstörung" folgend, können die USA erst in einen stabilen Zyklus starten, wenn die strukturellen Defizite - Infrastruktur, überschuldete Konsumenten, Gesundheitssystem - abgebaut wurden. Doch anstatt mittels eines zweiten Konjunkturpaketes Mitte 2010 an diesen Defiziten zu arbeiten, musste dem durch Gesundheits- und Finanzmarktreform geschwächten US-Präsidenten der Notenbankchef mit einer weiteren Runde an geldpolitischer Lockerung zu Hilfe kommen. Gepaart mit der ökonomisch fragwürdigen Verlängerung der Steuersenkungen des Vorgängers George W. Bush, schuf dieses Tandem seitdem eine positive Stimmung in liquiden Assetklassen. Doch wie sieht es abseits von Adrenalin (Fed) und Geldspritzen (Steuersenkungen) aus?

Immobilien: Die Preise für Privatimmobilien sinken kontinuierlich. Die Anzahl überschuldeter Eigentümer stieg Ende 2010 mit 23 Prozent (!) auf ein neues Krisenhoch. Die Zahlen bei Gewerbeimmobilien sind nicht besser. Sollten wir nach Gründen suchen, weshalb die Kerninflation den USA kein Kopfzerbrechen bereitet, bieten deflationäre Kräfte im Immobilienmarkt einen guten Ansatz.

Arbeitsmarkt: Im vorigen Halbjahr entstanden monatlich 150.000 bis 200.000 neue Jobs. Dieser Zuwachs ist jedoch wegen des Bevölkerungswachstums notwendig, um die Arbeitslosenquote stabil zu halten. Woher dann die sinkende Quote? Wie Brad DeLong richtig feststellt, wurde das Sinken nicht dadurch erreicht, dass immer mehr Menschen Arbeit finden, sondern immer mehr aus der arbeitswilligen Bevölkerung hinausfallen. Kurz, keine Entspannung am Arbeitsmarkt.

Konsum: Ein weiteres Problem liegt in der "Wageless Recovery", wie David Rosenberg sie nannte: Also ein Aufschwung, bei dem die arbeitende Bevölkerung vom Wachstum nicht profitiert. Das reale Durchschnittseinkommen der US-Haushalte ist seit 14 (!) Jahren nicht angestiegen. Zudem sind die Konsumenten weiter damit beschäftigt, ihre Schuldenberge vom letzten Zyklus abzutragen.

Immobilien, Konsum, Arbeitsmarkt - drei Bereiche, die einem stabilen Aufschwung derzeit im Weg stehen. Unterdotierte Strukturinvestitionen und eine nicht gelöste Schuldenproblematik sind mittelfristig zusätzlich zu stemmende Gewichte für einen sich selbst tragenden Aufschwung.

Markus Schuller ist Geschäftsführer von Panthera Solutions, einer Alternative Investment Consultancy in Monaco.