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Erholungseffekt verpufft schnell

Von WZ-Korrespondentin Claudia Rindt

Wissen

Expertin: Nach den Ferien schnell wieder alles beim Alten. | Ein langer Urlaub ist weniger erholsam als mehrere kurze. | "Wiener Zeitung": Es gab Zeiten, da kannten viele Menschen keine Ferien. Ist Urlaub heute wirklich wichtig oder gehört er einfach zum Lebensstil?


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Sabine Sonnentag: Urlaub ist tatsächlich Teil des Lebensstils. In den USA haben die Menschen deutlich weniger Urlaub als hierzulande. Amerikaner können sich nicht vorstellen, so viele Tage frei zu haben wie die Menschen hier und umgekehrt. Man orientiert sich an dem, was üblich ist. Aber die Forschung zeigt auch: Urlaub ist wichtig für das Befinden. Nach dem Urlaub verbessern sich Arbeitsengagement und Arbeitsleistung für eine gewisse Zeit. Urlaub - das bedeutet, frei zu sein von belastenden Anforderungen. Man hat Zeit für Neues, aber auch für die Familie. Das wieder birgt auch Konfliktpotenzial. Urlaub ist nicht nur heile Welt.

In den letzten Arbeitstagen vor dem Urlaub müssen Beschäftigte im Büro oft noch reinen Tisch machen und geraten dadurch in großen Stress. Lässt der sich irgendwie vermeiden?

Es empfiehlt sich, bewusst einzuplanen, dass in den letzten Tagen vor dem Urlaub besonders viel Arbeit anfallen kann. In dieser Zeit sollte man die sonstigen Anforderungen reduzieren. Es empfiehlt sich, eine Liste anzulegen: mit Dingen, die unbedingt noch erledigt werden müssen, und mit anderen, die Aufschub dulden. Der große Hausputz muss nicht zwingend noch vor dem Urlaub sein.

Wie lange sollte ein Urlaub sein, damit er auch erholsam wirkt?

Wir gehen davon aus, dass eine Woche notwendig ist. Das Erholungsgefühl verbessert sich nicht unbedingt, wenn der Urlaub länger dauert. Für das Erholungsgefühl spielt es keine Rolle, ob der Urlaub zwei oder vier Wochen dauert.

Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

In unseren Untersuchungen haben wir das Befinden und andere Variablen vor und nach dem Urlaub mit einer Reihe von spezifischen Fragen erfasst und Vergleiche zwischen kürzeren und längeren Urlauben angestellt.

Welche Art von Urlaub ist entspannender: der Faulenzer- oder der Abenteuerurlaub?

Das hängt von den individuellen Präferenzen ab. Grundsätzlich aber gilt: Es ist Gift, während des Urlaubs negativ über die Arbeit nachzudenken, also etwa über den Ärger mit dem Chef oder über verpasste Aufstiegschancen. Das raubt Energien und beeinträchtigt das Befinden. Positiv über die Arbeit nachzudenken, kann dagegen hilfreich sein. Wenn man sich zum Beispiel fragt: Was habe ich erreicht? Was will ich noch erreichen? Was ist mir besonders gut gelungen? Die gedankliche Vorwegnahme der Arbeit allerdings macht die Urlaubswirkung zunichte.

Erholt sich ein Urlauber besser, wenn er daheim bleibt oder wenn er verreist?

Ein Tapetenwechsel ist nicht zwingend notwendig. Etwas Neues zu erleben, das kann positiv sein im Sinne der Erweiterung des Horizonts. Reisen ist aber auch mit vielen Stressfaktoren verbunden, es erfordert Anpassungsleistungen und Planung. Wie der Urlaubende Entspannung erreicht, das ist individuell unterschiedlich.

Wie lange hält das Urlaubsgefühl an?

Oh, das ist ernüchternd. Nach zwei bis vier Wochen ist die Urlaubswirkung wieder vorbei, unabhängig davon, wie lange der Urlaub war. Je höher die Arbeitsbelastung nach dem Urlaub, desto schneller verpufft die Erholung. Daraus ergibt sich: Mehrere kurze Urlaube, in denen man sich immer wieder neu erholen kann, sind besser als ein langer. Viele machen zu selten Urlaub, nicht zu wenig.

Machen wir bei der Arbeit etwas falsch, wenn sie uns so schnell auslaugt?

Sich anzustrengen, findet immer Niederschlag im Organismus. Es zeigen sich ganz automatisch Ermüdungserscheinungen. Soziale Konflikte, Zeitdruck oder technische Pannen verstärken sie. Die meisten Leute fühlen sich nach der Arbeit schlechter als zuvor. Sie brauchen Ausgleich in der Freizeit und im Urlaub.

Sabine Sonnentag ist Professorin für Arbeitspsychologie an der Universität Konstanz.