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Erklärer der Wirtschaftskrise selbst in Krise

Von Clemens Neuhold

Wirtschaft

Das Institut für Höhere Studien strauchelt. Nicht zum ersten Mal.


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Wien. Sie haben einen Fixplatz in der Berichterstattung und Analyse aktueller Wirtschaftspolitik, die großen Wirtschaftsforschungsinstitute des Landes. Sie erklären uns die Konjunktur, den Arbeitsmarkt oder die Wirtschaftskrise. Der Gedanke, dass sie selbst wirtschaftlich in die Krise schlittern und negative Schlagzeilen liefern könnten, kommt dabei selten auf.

Beim Institut für Höhere Studien (IHS) ist genau dies nun der Fall. IHS-Chef Christian Keuschnigg sagt im "Kurier", dass ihm 500.000 Euro fehlen. Diese Summe wird fällig, um ein neues Büro bzw. den Umbau des alten Standortes zu finanzieren. Zusätzliche Mittel dafür gebe es aber nicht, also müsse gespart werden.

Eine Folge könnte die Verkleinerung des Institutes sein. Derzeit arbeiten dort 120 Mitarbeiter. In der Belegschaft rumort es laut der Zeitung. Der Vorwurf an Keuschnigg: Er habe im Vorfeld zu wenig getan, um die Finanzen aufzubessern und externe Forschungsgelder aus dem Privatbereich anzuziehen.

Pendler ins Forscher-Dorado

Keuschnigg spricht offen über die Schieflage und schließt auch einen Rücktritt nicht aus. Reicht es dem Wahlschweizer, der die Hälfte bei den Eidgenossen als Gastprofessor verbringt? Dort findet er im Vergleich zu Österreich ein Forschungs-Dorado vor, mit entsprechend höheren Gehältern und Ressourcen für diverse Institute. Keuschnigg sagt, er gehe, wenn ihm das Finanzministerium die Förderung zusammenstreicht.

Neu sind Geldsorgen beim IHS nicht. Schon unter Keuschniggs Vorgänger Bernhard Felderer stellte sich oft die Frage, wie lange der finanzielle Atem hält. 2011 strich das Wissenschaftsministerium seine jährlichen IHS-Subventionen in Höhe von 1,6 Millionen Euro. Dafür sprang das Finanzministerium ein. Vorübergehend. Die Geldsorgen blieben. Trotzdem wundert sich ein Kenner der Forschungsszene, der nicht genannt werden möchte: "Die Art, wie Keuschnigg an die Öffentlichkeit geht, ist schon sehr verwunderlich. Das wirkt ja, als würde das Institut kurz vor dem Bankrott stehen."

Wirtschaftsforscher ohne Gewinn

Das zweite prominente Institut, das sich mit ökonomischen Analysen beschäftigt, ist das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Das schwimmt ebenfalls nicht gerade im Geld. "Wir schaffen es, gerade ausgeglichen zu bilanzieren", heißt es aus dem Wifo. Das Institut hat rund 110 Mitarbeiter. Im Unterschied zum IHS befindet sich der Hauptsitz im Wiener Arsenal im Eigenbesitz. Derzeit ist wegen Umbaus Miete für ein Ersatzquartier zu zahlen, doch für beides wurden Rücklagen gebildet.

Das Wifo tut sich auch deswegen etwas leichter als das IHS, weil es mehr Financiers hat. Hauptsponsoren sind die Sozialpartner, also Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer. Außerdem forscht das Institut noch näher an der Politik, was die Auftragslage durch Ministerien und oder Landesregierungen sichert. Trotzdem würde es sich ohne private Förderer und private Forschungsaufträge lange nicht mehr ausgehen. Die Hälfte der Mittel ist privat verdient.

Das ist wiederum gut für die Unabhängigkeit. Die wird stets betont, doch wenn es politisch sehr heikel wird, wissen die Hauptfinanciers schon, wo sie die Daumenschrauben anzusetzen haben.