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Erlass soll Polizeiverhör regeln

Von Matthias G. Bernold

Politik

Gestern scharrte Justizminister Dieter Böhmdorfer seine Spitzenbeamten um sich, um im Festsaal des Palais Trautson noch einmal die Vorzüge der Strafprozessreform zu präsentieren. Heute soll die StPO-Vorverfahrensnovelle - gegen den Willen der Opposition - im Nationalrat beschlossen werden. Wie der Minister ankündigte, soll ein Erlass den umstrittenen Anwaltszugang im Polizeiverhör genauer regeln.


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Mit dem Gesetz, das frühestens 2007 in Kraft treten soll, wird die Phase des Strafverfahrens zwischen Beginn der Ermittlungstätigkeit und Anklage neu geregelt. Die - in den Grundzügen noch immer geltende - Strafprozessordnung (StPO) aus 1873 wird an moderne Erfordernisse der Praxis angepasst. Allgemeine Grundsätze des Strafverfahrens, Ermittlungsbefugnisse der Kriminalpolizei, Rechte von Verbrechensopfern und Beschuldigten werden festgeschrieben. Was bringt die Reform im Detail?

Verfahrensstruktur: Anstelle der bisherigen Dreiteilung des Vorverfahrens (sicherheitsbehördliches Vorverfahren, staatsanwaltliche Vorerhebungen, gerichtliche Voruntersuchung) gibt es künftig ein einheitliches Vorverfahren, das vom - weiterhin weisungsgebundenen - Staatsanwalt geleitet und gemeinsam mit der Kriminalpolizei geführt wird.

Ermittlungsbefugnisse: Was sich derzeit in einem rechtlichne Graubereich abspielt, wird jetzt genau geregelt: Scheinkäufe, verdeckte Ermittlungen, Rasterfahndung, DNA-Analyse, körperliche Untersuchungen sind laut neuer StPO unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Opferrechte: Ein Kernpunkt des neuen Vorverfahrens ist die Verankerung und Stärkung der Opferrechte. Bisher wurden Verbrechensopfer im Prozess auf ihre Rolle als Zeugen und Privatbeteiligte reduziert. Die Novelle bringt Informations-, Beteiligungs-, Antragsrechte sowie ein Recht auf Akteneinsicht. Opfer erhalten ein Beweisantragsrecht und können sich an parteiöffentlichen Beweisaufnahmen beteiligen und dort Fragen an Beschuldigte, Zeugen und Sachverständige stellen. Weiters haben Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten künftig einen Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung sowie einen Anspruch auf Verfahrenshilfe.

Anwalt beim Polizeiverhör: Bis zum Schluss strittig: die Frage ob und in welcher Form ein Verteidiger beim ersten Polizeiverhör anwesend sein darf. Laut neuer Strafprozessordnung kann die Exekutive den Anwalt ausschließen, wenn sie die Ermittlungen gefährdet sieht. In dem gemeinsamen Erlass mit dem Innenministerium soll geregelt werden, "wie in Grenzfällen vorzugehen ist", kündigte Böhmdorfer in der gestrigen Pressekonferenz an. Damit soll verhindert werden, dass die Polizei Anwälte willkürlich von der Einvernahme ausschließen kann, "auch wenn gar keine Verdunkelungsgefahr besteht".

Geplant ist, in den Erlass Kategorien und Fallgruppen aufzunehmen, erklärte Straflegist Christian Pilnacek. Eine genaue Definition sei allerdings unmöglich, sonst hätte man sie nämlich gleich ins Gesetz geschrieben.

Rechtsschutz: Neu im Gesetz ist ein einheitliches Rechtsschutzsystem, das Beschuldigten und Opfern eine allgemeine Beschwerdemöglichkeit gegen Verletzungen subjektiver Rechte einräumt. Kritisiert wurde jedoch, dass der Rechtsschutz bis zum jetzigen Entwurf mehr und mehr eingschränkt wurde - so dass etwa polizeiliche Ermessensentscheidungen nicht ausreichend überprüft werden könnten.