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Erleichterung in der EU, aber das wird nicht reichen

Von Reinhard Göweil

Analysen

Europas Regierenden "fällt ein Stein vom Herzen" - weitermachen wie bisher können sie trotzdem nicht.


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Nach dem Brexit stand die österreichische Präsidentschaftswahl ganz oben auf der Agenda in Brüssel. Ein Rechtspopulist als Staatsoberhaupt, in der EU fürchteten viele einen Dammbruch. Mit Geert Wilders in den Niederlanden, Marine Le Pen in Frankreich und der deutschen AfD kamen Norbert Hofers Unterstützer aus extrem rechten Parteien. Vom "Europa der Vaterländer" war die Rede, hinter dem historisch fragwürdigen Vergleich steckt oft der Wunsch nach Zerstörung der EU.

"Mir fällt ein Stein vom Herzen", war denn auch ein oft gehörter Satz am Sonntagabend, unter anderen vom deutschen Außenminister Frank-Werner Steinmeier.

Tatsächlich hat die EU durch die Niederlage Hofers aber bloß Zeit gewonnen. Ohne deutliche Reformen wird es nicht mehr abgehen. Die neuerlichen Debatten um eine Senkung der Unternehmenssteuern in Europa kontrastieren stark mit der teilweise horrenden Jugendarbeitslosigkeit. 25 Prozent in Frankreich, 37 Prozent in Italien, 43 Prozent in Spanien. "Niemand verliebt sich in einen Binnenmarkt", zitiert Bundeskanzler Christian Kern öfters den früheren EU-Kommissionspräsident Jacques Delors.

Genau hier liegt das Problem - viele Bürger fühlen sich von der EU im Stich gelassen. Zwar wird die wirtschaftliche Mobilität hochgehalten, nicht aber die soziale. Also mag es verständlich sein, dass etablierte politische Parteien die Niederlage Hofers begrüßen, die inhaltliche Debatte aber wird ihnen nicht erspart bleiben. Denn die extrem und weniger extrem rechten Parteien sprechen ein reales Problem an. Globalisierung, Automatisierung und der EU-Binnenmarkt bringen nationale soziale Systeme ins Wanken.

Darauf ist die Antwort ausständig, und doch wird sie in Kürze gefunden werden müssen. Die Turbulenzen in Großbritannien nach dem Brexit-Referendum hat vielen Bürgern klargemacht, dass es mit der EU besser ist als ohne EU. Doch ob es ausgerechnet die Europäische Union sein muss, das wird oftmals in Frage gestellt.

Die ersten Äußerungen am Sonntagabend der FPÖ und auch von Norbert Hofer nach der Wahlniederlage lassen erkennen, dass es keine Änderung der Linie geben wird. In den Niederlanden, Frankreich und Deutschland stehen 2017 Parlamentswahlen an. Sie werden für die künftige Richtung der EU von größerer Bedeutung sein als die österreichische Bundespräsidentenwahl.

Ob der Populismus auch in diesen Ländern zurückgedrängt werden kann, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die etablierten Parteien ihre oftmals recht ideenlose Europapolitik stur weiterverfolgen oder ob sie zu Änderungen willens und auch fähig sind.