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Erleichterung in Polen über Fischers Worte

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

In der Debatte um die Errichtung eines Vertriebenenzentrums hat Deutschlands Außenminister Joschka Fischer klare Worte gefunden. Sein Plädoyer gegen eine Relativierung der historischen Schuld ist in Polen auf offene Ohren gestoßen.


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Von Erika Steinbachs Idee hält Joschka Fischer wenig. Die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen möchte in Berlin die Errichtung eines Museums durchsetzen, das der Vertreibung von Deutschen nach 1933 gedenkt. In einem Interview für "Die Zeit" sprach sich der Außenminister gegen eine Debatte aus, die "da lautet: Die Deutschen waren auch Opfer. Damit relativiert man die historische Schuld und kommt in die unheilvolle Konfrontation einer verzerrten Geschichtswahrnehmung."

Mit Wohlwollen wurden diese Aussagen in Polen aufgenommen. Denn schon seit Monaten wird dort Kritik an dem Vorhaben geübt, ein Gedenkzentrum in Berlin für deutsche Opfer zu erbauen. Aus polnischer Sicht wäre dies eine ungerechtfertigte Anklage gegen Polen und die Tschechoslowakei. In einem offenen Brief plädierten PolitikerInnen, WissenschafterInnen und Holocaust-Überlebende für einen europäischen Dialog aber gegen Aufrechnung von Schuld. "Es ist doch klar, dass alle Opfer des II. Weltkriegs - jüdische und polnische, deutsche und serbische, russische und französische - Opfer des Nazismus waren", schrieb nun Chefredakteur Adam Michnik, der sich auf der Titelseite der "Gazeta Wyborcza" über Fischers Worte erleichtert zeigte. Eine andere Darstellung wäre ein posthumer Triumph von Hitlers Propagandisten. Vor einem Jahr hatte Michnik vorgeschlagen, ein Zentrum in Wroclaw zu errichten, zum Gedenken der Katastrophen und des Wiederaufbaus in Europa.

Einer Umfrage der Zeitung "Rzeczpospolita" zu Folge sehen dennoch eher PolInnen Deutsche als Opfer an als die Deutschen selbst. Demnach bejahen 57 Prozent die Frage, ob Deutsche ebenso wie Jüdinnen und Juden, PolInnen, Roma und andere Opfer des Weltkrieges wurden. In Deutschland waren 36 Prozent der Befragten dieser Meinung.