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Freude, dass der Staatsvertrag nun erfüllt wird, aber Kritik an Plan zu Volksbefragung. | Enotna Lista hätte "mehr Großzügigkeit erwartet", trägt aber Kompromiss mit. | Wien/Klagenfurt. Am Tag nach der Einigung über die Kärntner Ortstafeln herrschte in der Republik Erleichterung darüber, dass nach 56 Jahren der Staatsvertrag endlich erfüllt werden soll. | Landeshauptmann Gerhard Dörfler im Interview | Staatssekretär Josef Ostermayer im Interview
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Wie in Teilen der "Wiener Zeitung" bereits berichtet, einigten sich Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ), Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) und die Vertreter der slowenischen Volksgruppe, allen voran Valentin Inzko, am Dienstagabend auf ein Paket, das neben 164 zweisprachigen Ortstafeln auch eine neue Amtssprachenregelung sowie Fördermaßnahmen für Bildungs- und Kultureinrichtungen der Volksgruppe vorsieht.
Bei den 164 Ortschaften handelt es sich um 91 Orte, die in den Topographieverordnungen von 1977 und 2006 erfasst sind, 22 vom VfGH verordnete Ortstafeln und 51 Orte mit mehr als 17,5 Prozent slowenischsprachiger Bevölkerung.
Bundespräsident Heinz Fischer sprach angesichts der Lösung des seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts vom einem "guten Tag für Österreich". Er sei "erstens erleichtert, zweitens zufrieden", so das Staatsoberhaupt.
Euphorisch reagierte auch Kärntens Bischof Alois Schwarz: "Die Einigung ist ein historischer Kompromiss und ein bedeutendes Ereignis für unser Land."
Zufrieden zeigte sich auch die Bundesregierung. Bundeskanzler Werner Faymann sprach von einer "besonderen Leistung" und hob besonders jene des Chefverhandlers auf Regierungsseite, Staatssekretär Ostermayer, hervor.
Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger sprach nach dem Ministerrat am Mittwoch von einem Ergebnis, das sich sehen lassen könne. Er gratulierte vor allem dem freiheitlichen Kärntner Landeshauptmann für seinen Mut.
Slowenenpartei nicht wirklich zufrieden
Auch die Opposition begrüßte die Lösung. Weniger begeistert reagierte hingegen die Südkärntner Regionalpartei Enotna Lista, die in 22 Kommunen vertreten ist. Sie werde den Kompromiss mittragen, allerdings bezeichnete der Vorsitzende Vladimir Smrtnik die Amtssprachenregelung (diese gilt in zwei Gemeinden, Eberndorf und St. Kanzian, nur in bestimmten Orten) als "eines Rechtsstaates geradezu unwürdig". Er hätte sich "nach 56 Jahren Nichterfüllung des Österreichischen Staatsvertrags eine großzügigere Lösung erwartet".
Ein klares Nein kam von der Enotna Lista zu der von der FPK in der Einigung durchgesetzten Volksbefragung über das Paket. Diese würde nur Konflikte in den betroffenen Dörfern und unnötige Geldverschwendung bedeuten, so Smrtnik.
Als unnötige Fleißaufgabe bezeichnete Bundespräsident Fischer die Volksbefragung. Sie nütze nicht, aber sie schade hoffentlich auch nicht. Jedenfalls sei der Nationalrat nicht an ihr Ergebnis gebunden.
Ähnlich wie der Bundespräsident äußerte sich auch Ex-VfGH-Präsident Karl Korinek: Lob für die Ortstafeleinigung, Unverständnis für die Volksbefragung. Der Kompromiss sei "ein absolut gangbarer Weg", so Korinek im ORF-"Morgenjournal". Der VfGH sei nur deshalb immer von 10 Prozent ausgegangen, weil es keine andere gesetzliche Regelung gegeben habe. "Wenn der Gesetzgeber das jetzt so tut, dann ist das sehr gut."
Dass die Amtssprachenregelung nicht in allen Gemeinden mit zweisprachigen Ortstafeln gelten soll, ist für Korinek "ein gangbarer Weg, auch wenn man sich in der ganzen Welt lächerlich machen wird angesichts dieser Kleinlichkeit.
Problematischer, ja geradezu "undemokratisch" ist für Korinek die Volksbefragung: "Die wird nicht viel bringen. Wenn sie eine Zustimmung bringt, braucht man sie nicht. Und wenn sie eine Ablehnung bringt, wird man auf der ganzen Welt sagen, das ist zum ersten Mal in einer Demokratie, dass man die Mehrheit über Minderheiten abstimmen lässt."
Beschluss im Plenum von 6. bis 8. Juli
Kärntens Landeshauptmann Dörfler geht von einer überwältigenden Zustimmung der Bevölkerung aus. Dazu will er auch den Kärntner Abwehrkämpferbund noch mit ins Boot holen. Dieser lehnt den Kompromiss als "nicht nachvollziehbar" ab und fordert eine Hürde von 20 Prozent.
Durchgeführt werden soll die - rechtlich nicht bindende - Volksbefragung im Juni. Anfang Juni soll das Gesetz durch den Ministerrat. Ein Beschluss im Nationalrat ist für das Plenum vom 6. bis 8. Juli geplant. Inkrafttreten soll das Gesetz dann mit Ende September.
Siehe auch:Das Memorandum vom 26.4.2001
+++ Wo das Schild zwei Sprachen spricht
+++ Urabstimmung: Ja zur Ortstafellösung
+++ Rückschlag bei der Ortstafel-Einigung
+++ Bezeichnend, dass Streit nun auch die Lösung der Ortstafelfrage überschattet
+++ Ostermayer wehrt sich gegen Erpressungsvorwurf
+++ Ortstafeln könnten zu internationalem Streitfall werden
+++ Slowenen unzufrieden mit Lösung im Ortstafelstreit
+++ Der letzte Akt des Ortstafel-Streits
+++ D-Day in der Kärntner Ortstafelfrage
+++ Chronologie der Ortstafelfrage