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Erleichterung und Enttäuschung

Von Arian Faal

Politik

Kein Durchbruch bei Atomgesprächen mit dem Iran.


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Wien. Bis zur letzten Sekunde bemühten sich die fünf UN-Vetomächte Frankreich, China, Russland, Großbritannien, die USA plus Deutschland, mit dem Iran im elf Jahre andauernden Atomstreit doch noch eine für alle Seiten passable Lösung zu finden. An der Chemie zwischen den Beteiligten lag es nicht, dass man letztlich keinen großen Durchbruch erzielen konnte. Die Iran-Sonderbeauftragte der EU, Catherine Ashton, kann sehr gut mit dem iranischen Chefverhandler und Außenminister Mohammad Javad Zarif, und auch der US-Chefdiplomat John Kerry ist ein Fan des iranischen Spitzendiplomaten. Zarif sei gar einer "der besten Außenminister der Welt, von dem sich einige etwas abschauen sollten", soll Kerry gesagt haben. All dies reichte aber nicht für eine Überwindung der politischen Gegensätze aus. Am Ende wurde es eine Verlängerung des Genfer Zwischenabkommens bis Juli 2015.

Von einem endgültigen Abkommen sprach bei den Wiener Mammut-Verhandlungen mit sieben Außenministern und Ashton seit Tagen kaum jemand mehr. Es hieß, dass "aufgrund der schwerwiegenden Differenzen" ein Rahmen-Deal ins Auge gefasst werde, der die heiklen Eisen wie die Anzahl der iranischen Zentrifugen, den Zeitplan für die Sanktionslockerungen und die Gültigkeitsdauer des Abkommens vorerst exkludiere.

Enttäuschung in Teheran

Was nach sieben Tagen und dutzenden Stunden bi-, tri- und multilateraler Verhandlungen herauskam, bezeichneten beide Seiten als erleichternd und enttäuschend zugleich. Als erleichternd, da das Schreckensszenario, die Gespräche könnten komplett scheitern, nicht eintrat. In diesem Fall hätte der Iran sein Atomprogramm, allen voran die derzeit von 20 auf fünf Prozent reduzierte umstrittene Urananreicherung, wohl wieder hochgefahren und der Westen seine Wirtschaftssanktionen gegen die Islamische Republik womöglich weiter verschärft. Eine Verlängerung der Frist bis Juli erlaubt zudem beiden Seiten, ihr Gesicht zu wahren.

Enttäuschung war wiederum deshalb spürbar, weil vorrangig die junge iranische Bevölkerung verzweifelt auf ein endgültiges Abkommen wartet, um endlich wieder einen halbwegs erträglichen wirtschaftlichen Alltag vorzufinden.

Die Arbeitslosen- und Inflationszahlen des Iran spiegeln die katastrophale Wirtschaftslage des Landes wider. Der als moderat geltende iranische Präsident Hassan Rohani war 2013 mit dem Versprechen angetreten, diesen Zustand rasch zu ändern. Daher blieb Rohani am Montagabend auch nichts anderes übrig, als sich in einer Rede zur Lage der Nation persönlich an die enttäuschte Bevölkerung zu wenden.

Der Umstand, dass die Perser fortan bis zum Ende der neuerlichen Frist monatlich 700 Millionen US-Dollar an wegen der Sanktionen eingefrorenen Geldern überwiesen bekommen, dürfte für Rohani nur ein schwacher Trost sein. Ihn erwartet nun starker Gegenwind von Hardlinern des Parlaments und der Geistlichkeit. Sie, die in den vergangenen Wochen vom Obersten Geistlichen Führer, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, der im Iran in allen Belangen das letzte Wort hat, zurückgepfiffen wurden, werden nun wieder aufschreien. "Wir haben ja immer schon gewusst, dass Verhandlungen mit dem Westen zu nichts führen", kommentierte Medienberichten zufolge ein Hardliner das halbherzige Verlängerungsstatement.

Der Westen wiederum hat das kleinere Übel gewählt, scheint aber angesichts des Ausbleibens eines echten Erfolgs bei den Wiener Verhandlungen, in die so viel Energie, Hoffnung und Arbeit investiert wurde, ebenso enttäuscht. "Wir haben am Ende des Tages verhindert, dass die beiden Züge im Tunnel zusammenkrachen. Einen Weg ins Sonnenlicht haben sie nicht gefunden. Das heißt, es wird noch weitere Bemühungen geben müssen, die Züge aus dem Tunnel zu führen", erklärte ein westlicher Diplomat am Montagabend im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Neue Gespräche im Dezember

Der Atompoker, der unter den 500 in Wien anwesenden internationalen Journalisten mittlerweile spöttisch als "unendliche Geschichte" bezeichnet wird, geht somit weiter. US-Außenminister John Kerry kündigte eine Fortsetzung der Gespräche für Dezember an. Binnen vier Monaten soll ein Rahmenabkommen und binnen sieben Monaten soll eine endgültige Einigung erreicht werden, erklärte Kerry. Außenminister Sebastian Kurz wünscht sich eine weitere Austragung der Gespräche in Österreich. Doch auch der Oman und Genf bieten sich als Gastgeber an.

"Wir werden hier nicht ewig sitzen und weiterverhandeln, wenn es keinen messbaren Erfolg gibt, aber wenn man bedenkt, wie nahe wir (einer Einigung, Anm.) gekommen sind, ist nicht die Zeit, um aufzugeben", sagte Kerry nach einem letzten Gespräch mit Zarif. In den Verhandlungen in den vergangenen Tagen in Wien seien "substanzielle Fortschritte" in einigen der "schwierigsten Fragen" erreicht worden, sagte Kerry. Die Welt sei heute sicherer als vor einem Jahr, als das Genfer Interimsabkommen geschlossen wurde, fügte der US-Außenminister hinzu.