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Erleichterung und taktische Überlegungen bei der ÖVP

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Viele schwarze Funktionäre liebäugeln mit Koalition mit FPÖ und Stronach.


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Wien. Es war ein deutlicher Seufzer der Erleichterung, der im Festzelt vor der ÖVP-Zentrale durch die Reihen der ÖVPler ging, als um 17 Uhr die erste offizielle Hochrechnung veröffentlicht wurde. Die Verluste geringer als befürchtet und Platz zwei gehalten. Nur langsam schwillt der Applaus an, als man begreift, dass die Verluste geringer sind als bei der SPÖ (was sich allerdings erst nach der Auszählung der Wahlkarten ausgehen wird). Dies verstärkt sich von Hochrechnung zu Hochrechnung. Trotzdem wirken die Funktionäre und Parteianhänger etwas ratlos, was man mit dem Ergebnis anfangen soll.

Das Ergebnis sei ein "Denkzettel für die Regierung", urteilte Generalsekretär Hannes Rauch als Erster, "es gibt Reformbedarf". Man werde das Ergebnis analysieren und dann weitersehen. Die Frage der Koalitionsform stelle sich im Moment noch nicht - ein Wording, an das sich die Partei in der Folge hält.

Parteichef Michael Spindelegger machte jedenfalls deutlich, dass er sich nicht ohne Wenn und Aber einer Neuauflage von Rot-Schwarz verschreibt. "Alles ist möglich", auch eine Koalition mit anderen Partnern.

Schwarz-Blau-Stronach "wäre ned schlecht"

Eine Möglichkeit wäre etwa eine Koalition mit FPÖ und dem Team Stronach - ein Bündnis, dem einige im ÖVP-Festzelt an diesem Abend durchaus etwas abgewinnen können. "Ich würde es nicht kategorisch ausschließen, alleine schon als Druckmittel in Verhandlungen mit der SPÖ", erklärt ein junges Parteimitglied. Eine Funktionärin sieht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" im Wahlresultat einen "klaren Wählerauftrag für eine Mitte-Rechts-Regierung". Auch ein etwas älterer ÖVPler aus Wien fände Schwarz-Blau-Stronach "ned schlecht". FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache würde in der Regierung passen, "der würde Bewegung hineinbringen - aber die ÖVP müsste den Kanzler stellen".

Während für viele bei der schwarzen Wahlfeier mit der Wahl "die große Koalition abgewählt" wurde, fordert der in der ÖVP ja nicht ganz an Einfluss arme niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll die Fortführung von Rot-Schwarz. Zwar sei die Regierungsarbeit "nicht optimal" gewesen, Pröll fordert dennoch eine Zweierkoalition - und da geht sich eben nur SPÖ mit ÖVP aus (Rot-Blau schließt die SPÖ dezidiert aus).

Auch die frühere ÖVP-Wien-Chefin Christine Marek hält wenig von Schwarz-Blau-Stronach: "Ich habe da meine Zweifel, dass eine konstruktive Zusammenarbeit möglich wäre." Größte Hürde für eine Koalition von ÖVP, FPÖ und Stronach wäre zweifellos die Europapolitik. Trotzdem: Die Möglichkeit besteht und stärkt damit natürlich die Verhandlungsposition der Volkspartei.

Kohl fordert neue Form der Parteienzusammenarbeit

Geht es nach dem früheren Nationalratspräsidenten Andreas Khol, sollte überhaupt das Post-Koalitions-Zeitalter anbrechen: "Es braucht völlig neue Formen der Parteienzusammenarbeit", sagt er zur "Wiener Zeitung". Ihm schweben Projekte und Reformen "über Parteigrenzen hinweg" vor. Einig ist sich Khol mit seinen Parteifreunden an diesem Abend, dass es "so nicht weitergehen kann".

Sehr wohl weitergehen soll es mit dem Parteichef - jedenfalls haben Spindelegger am Sonntag etliche Parteigranden den Rücken gestärkt. Sein Wahlziel - Nummer eins - hat er zwar verfehlt, aber angesichts eines völlig verkorksten Wahlkampfs ist das ÖVP-Ergebnis doch ganz respektabel. Das hätte auch ganz anders kommen können. Ein schwarzer Funktionär formuliert es so: "Hätten wir weniger als 22 Prozent geschafft, wäre Sebastian Kurz morgen Parteiobmann - und das perfekte Spielzeug der Landeshauptmänner." Kurz selbst hält von derartigen Spekulationen nichts. Er hält weiter fest zu Parteichef Spindelegger.

Zwar wird die ÖVP vorerst um eine Obmanndebatte herumkommen, zu diskutieren wird es aber genug geben. Gerade die Ergebnisse in den Ländern sind zum Teil verheerend. Verluste jenseits der fünf Prozentpunkte gab es hingegen in der Steiermark und in Vorarlberg. Nur in Kärnten und Tirol konnte sich die ÖVP in der Wählergunst verbessern.