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"Gemeinsames Meditieren am Landesparteitag am Samstag wäre wunderbar"
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Wien. "Ein gemeinsames Meditieren aller Delegierten am Beginn des Landesparteitags der Wiener SPÖ am Samstag, das wäre wunderbar" meint Heinz Vettermann. Das langjährige SPÖ-Gemeinderatsmitglied aus der Josefstadt ist einer der "Red Buddhas", einer Vereinigung sozialdemokratisch gesinnter Menschen, die offiziell sogar Teil der Wiener SPÖ ist. Red Buddha ist über die Wiener Bildung in der Wiener SPÖ etabliert - was gewisse Fragen aufwirft.
Wie lässt sich politisches Engagement mit der Religion des Buddhismus vereinbaren? "Ich war zuerst Sozialdemokrat, dann habe ich den Buddhismus kennengelernt und dann habe ich festgestellt, dass ich den Buddhismus sehr gut in mein Weltbild integrieren kann", meint Michael Eisenriegler. Der Medienexperte gründete schließlich 2005 Red Buddha, dessen harter Kern besteht heute aus zehn Frauen und Männern.
"Weisheit und Mitgefühl sollen immer im Gleichgewicht sein", so eine Botschaft der roten Buddhisten. "Vor allem für politisch denkende und handelnde Menschen." Wobei sie großen Wert darauf legen, die Politik nicht missionieren zu wollen. "Wir gehen nicht mit einem Bauchladen spazieren und propagieren Buddhismus", stellt Eisenriegler klar. Man müsse vielmehr selbst zum Buddhismus finden.
Vor allem David Loy, ein sozialtheoretischer US-amerikanischer Zenmeister und Karl-Heinz Brodbeck, ein angesehener deutscher Wirtschaftswissenschafter, haben Buddhismus in politische Handlungsanweisungen übersetzt. Auch das Streben des Himalaya-Staates Bhutan nach "Bruttonationalglück" ist für die roten Austrobuddhisten ein Zeichen der Integration von Politik in den Buddhismus - oder umgekehrt.
"Achtsamkeit" ist ihr durchgehendes Handlungsmuster. "Wenn ich mir die Aussendungen der Parteien so ansehe, da wird keine wertschätzende Kommunikation betrieben"; schüttelt Eisenriegler den Kopf. "Man darf die Substanz des Menschen nicht kritisieren."
Dabei ist das buddhistisches Streben der Protagonisten von Red Buddha in seinen Konsequenzen gar nicht so harmlos, das haben schon einige Abgeordnete erleben müssen. Eisenriegler ist einer der Aktivisten von "Respekt.net", eines Vereins, der das Portal "Meine Abgeordneten" betreibt. Die dort angeführten Informationen über Vorgeschichte, Verbindungen und Nebenjobs sind nicht allen Politikern angenehm. Doch Erkenntnisgewinn ist eine buddhistische Urtugend.
Vergrabene Sozi-Buddhas
Jeder hat Buddha in sich, er ist nur vergraben, so die Losung der SPÖ-Buddhajünger. Die Erkenntnis, das Auflösen der Grenze von Ich und Nicht-Ich, das Einssein mit dem Universum ist das Ziel des Buddhismus. Im Vergleich dazu schwindet jede Parteitags-Diskussion um Reichensteuer oder Einbahnregelung doch ins völlig Irrelevante. "Nein", so Vettermann. "Gegen Pragmatismus hat der Buddhismus nichts." Weder sei die Finanzierung einer Schule durch Private (Public Private Partnership) unbuddhistisch noch das Verbot organisierter Bettelei. Ein Gesetz, das innerhalb der Wiener Sozialdemokraten vor dem Beschluss lebhafte Diskussionen hervorgerufen hat. Auch als Vorsitzender des Gemeinderatsausschusses für Jugend, Bildung und Sport hat Vettermann noch niemals eine Unvereinbarkeit seiner sozialdemokratischen oder buddhistischen Werten mit seinem politischen Handwerk wahrgenommen.
Übrigens sei auch Buddhismus und grüne oder schwarze Politik möglich. Es gebe unendlich viele Wege zum Ziel der Erkenntnis. Fraglich sei die Verschmelzung von Buddhismus und Politik bei den Kommunisten, wegen deren Dogmatismus. Grundsätzlich würden spirituelle Grundsätze der Politik aber nicht schaden. Die Menschen seien nicht grundsätzlich böse, sondern nur fehlgeleitet, so die sozialdemokratisch-buddhistische Lehrmeinung. Würden sich alle daran halten, wäre die politische Debatte um einiges menschlicher. Vielleicht aber auch komplizierter. Denn 84.000 "Belehrungen" sind von Buddha überliefert. Ein recht unüberschaubares Konvolut an Weisheiten. "Auch kein Problem", erklärt Eisenriegler. "Das ist wie eine Apotheke. Da gibt es auch Tausende Medikamente, aber ich brauche genau das Medikament, das mir hilft."
Buddhistischer Heurigen
Meditiert wird übrigens bei den Sozialdemokratie-Buddhisten sehr unterschiedlich. Von selten über täglich, sitzend oder gehend. Das Red Buddha-Programm im Sommersemester 2013 bietet Referate und Diskussionen, unter anderem zu "Achtsamkeit in der Politik". Und Spiritualität der besonderen Art bietet der beliebte Red Buddha-Heurige am 26. Juni.
"Sozial denken. Gerecht handeln". Unter diesem Motto steht der Landesparteitag der Wiener SPÖ am kommenden Samstag. Klingt irgendwie buddhistisch. Gemeinsam meditiert wird vermutlich dennoch nicht, aber die Red Buddhas haben eine der 48.000 Belehrungen ihres Religionsgründers als weises Geschenk: "Wenn Ihr selber erkennt, diese Dinge sind heilsam, sind untadelig, werden von den Verständigen gepriesen und - wenn ausgeführt - führen sie zu Segen und Wohl, dann möget ihr sie euch zu eigen machen."