Verbot trifft drei von acht konservativ-islamischen Kopfbedeckungen. Schutzmasken sind mit Attest erlaubt.
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Wien. Am 1. Oktober tritt das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz (AGesVG) in Kraft. Wer danach sein Gesicht verhüllt, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 150 Euro rechnen. Das oft als "Burkaverbot" bezeichnete Gesetz gilt jedoch nicht nur für religiös-islamische Schleier. Da ein Verbot einzelner religiöser Symbole rechtlich problematisch gewesen wäre, wurde das Gesetz neutral formuliert. Die Koalition einigte sich im Juni auf ein generelles Verhüllungsverbot des Gesichts in der Öffentlichkeit. Die Gesichtszüge müssen zur Gänze sichtbar sein, also die Partie vom Kinn bis zum Haaransatz.
"Das Gesicht ist wichtig für soziale Interaktion, für zwischenmenschliche Kommunikation", meinte die Generaldirektorin für Öffentliche Sicherheit Michaela Kardeis am Donnerstag in einem Pressegespräch. Laut Kardeis trifft das Verhüllungsverbot künftig drei von insgesamt acht üblichen konservativ-islamischen Kopfbedeckungen - und zwar jene, die das Gesicht komplett verhüllen, nicht aber Kopftücher, bei denen das Gesicht sichtbar bleibt.
Das Verhüllungsverbot sieht vor, dass an öffentlichen Orten wie Einkaufszentren oder in öffentlichen Gebäuden wie Schulen das Gesicht weder durch Kleidung, noch durch Gegenstände verborgen werden darf. Wer sich nicht an das neue Gesetz hält, begeht eine Verwaltungsübertretung und kann mit einem Bußgeld von bis zu 150 Euro gestraft werden.
Ausnahmen gelten bei "gesundheitlichen oder beruflichen Gründen", wie etwa bei medizinischem Personal oder Handwerkern. Auch das Verhüllen im Rahmen von traditionellen Veranstaltungen wie etwa im Fasching oder beim Perchtenlauf bleibt weiterhin erlaubt. In der kalten Jahreszeit ist das Einmummeln mit Schal und Haube aufgrund der Witterung ebenfalls problemlos. Die mögliche Argumentation, ein Nikab werde als Schutz vor Kälte getragen, ist laut Kardeis aber inakzeptabel.
Bei Atemschutzmasken, die vor allem bei ostasiatischen Touristen beliebt sind, sieht die Lage anders aus. Ein Mundschutz ist generell verboten, außer es liegt ein ärztliches Attest oder eine Warnung vom Umweltbundesamt vor. Straflos ist auch das Tragen von Sturzhelmen beim Sport.
Viersprachiger Infofolder
Die Polizei setzt nun verstärkt auf Informationsfolder, die in Österreich aufhältige Personen auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Arabisch über das neue Gesetz informieren soll. Zudem wurden Botschaften, internationale Organisationen und islamische Glaubensgemeinschaften vom Innenministerium informiert. Wie die Polizei bei Verstößen in der Praxis vorgehen will, schilderte Michael Hubmann vom Stadtpolizeikommando Linz. Betroffene werden zuerst angesprochen, auf das Verbot aufmerksam gemacht und aufgefordert, die Verhüllung abzunehmen. In diesem Fall könnte auf eine Strafe verzichtet werden, das liegt jedoch im Ermessensspielraum des Polizisten. Wird die Abnahme verweigert, muss die Person zur Feststellung der Identität mit auf die Polizeistation kommen. Muslima haben in diesem Fall das Recht, ihren Schleier zur Identitätsfeststellung nur vor einem weiblichen Polizisten abnehmen zu müssen. In weiterer Folge würde auch ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden.
Verbot ist "gerechtfertigt"
Österreich ist nicht das erste Land mit einem Verhüllungsverbot. In Frankreich trat ein entsprechendes Gesetz bereits 2011 in Kraft, Belgien folgte mit einer ähnlichen Regelung, ebenso der Schweizer Kanton Tessin. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied 2014, dass ein generelles Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist und eine Vollverschleierung eine Barriere der sozialen Interaktion darstellt.
Ein Rückgang der Touristenzahlen vor allem von Gästen aus den Golfstaaten wird nicht befürchtet. Negative Auswirkungen auf den Tourismus gab es weder in Frankreich noch in Belgien oder dem Kanton Tessin, berichtete Kardeis.
Ungewöhnliche Unterstützung bekommen Muslima in Österreich nun von Rached Nekkaz. Der in Paris lebende algerische Geschäftsmann will sämtliche Geldstrafen übernehmen, wie er "Servus TV" sagte. Er habe bereits rund 300.000 Euro für Burka-Strafen in Frankreich, Belgien und der Schweiz bezahlt.
Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) reagierte scharf auf das Angebot des Algeriers. "Wer in Österreich Nikab oder Burka trägt, muss mit Konsequenzen rechnen", sagte er. Es sei auch zu prüfen, ob eine Anstiftung zur Verwaltungsübertretung vorliege. "Wir werden keine Symbole tolerieren, die darauf abzielen, bei uns eine Gegengesellschaft zu errichten", betonte Kurz.