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Erneuerbare Energie: Das gute Gefühl aus der Steckdose

Von Anja Stegmaier

Wirtschaft

Der Strom der Zukunft soll nur noch aus Wasser, Wind und Sonne erzeugt werden. Doch was kostet er - und wie sicher ist die Versorgung? Ein Überblick.


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Beleuchten, Heizen, Kochen, Fahren: Der tagtägliche Strom kommt aus der Steckdose - doch auf seinem Weg dorthin durchläuft er einen äußerst komplexen Prozess. Bis zum Jahr 2030 soll Österreich zudem eine Stromversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen schaffen. Auch die heimische E-Wirtschaft steht hinter dem Ziel, fordert aber den passenden gesetzlichen Rahmen, um die vielen Projekte - von Netzausbau über Speichertechnologie und Sektorkopplung - umsetzen zu können. Mit dem zusätzlich geplanten erneuerbaren Strom könnten so 7,5 Millionen Tonnen CO2 jährlich (das ist fast ein Zehntel der jetzigen Emissionen) eingespart werden. Weitere Einsparungen sind zusätzlich durch mehr Elektro-Autos möglich, prognostiziert etwa der Präsident von Oesterreichs Energie und Salzburg-AG-Chef Leonhard Schitter.

Aus welchen Quellen stammt der Strom in Österreich?

Strom macht 20 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Österreich aus. Er setzt sich zu 72 Prozent aus erneuerbarer Energie zusammen. Mit 56 Prozent ist Wasserkraft die Quelle Nummer eins, gefolgt von thermischen Kraftwerken (28 Prozent) sowie Wind, Photovoltaik und Geothermie (16 Prozent). Die restlichen 28 Prozent werden durch Gas- und Kohlekraftwerke erzeugt.

Kann sich Österreich autark versorgen?

Nein. Erneuerbare Energieträger sind saisonalen und tageszeitlichen Schwankungen unterworfen. Aufgrund mangelnder heimischer Erzeugung muss Österreich vor allem im Winter einen Großteil der benötigten fossilen Energien importieren. Insgesamt werden jährlich 10 bis 15 Prozent des benötigten Stroms importiert, vor allem aus Deutschland und Tschechien. Bei den restlichen Energieträgern sind Öl (44 Prozent), Gas (36 Prozent) und Kohle (10 Prozent) an vorderster Stelle. Österreich importiert gut dreimal so viel Energie, wie es exportiert, darunter ebenfalls Öl und Gas sowie elektrische Energie. Trotz beträchtlicher Schwankungen steigen die Gesamtexporte.

Wie schaut die Stromversorgung der Zukunft aus?

Der Stromverbrauch in Österreich wird bis 2030 um ein Drittel ansteigen. Insgesamt werden 88 Terawattstunden (TWh) nötig sein. Das bedeutet rund 30 TWh mehr als heute. Die letzte Bundesregierung hat eine Klima- und Energiestrategie beschlossen, die sogenannte Mission2030. Sie sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 der in Österreich erzeugte Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen, also Wasser, Wind und Photovoltaik, gedeckt wird. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, denn Potenzialstudien besagen, dass hierfür jedes zweite Jahr bis 2030 ein neues Wasserkraftwerk, jeden zweiten Tag eine neue Windenergieanlage und alle drei Minuten eine neue Photovoltaikanlage errichtet werden müssen, um diesen Bedarf decken zu können. Allerdings ist hier die Steigerung der Leistung bestehender Kraftwerke ("Repowering") noch nicht berücksichtigt. Auch werden Anlagen erneuerbarer Energiequellen in Zukunft viel leistungsstärker sein als heute.

Wie setzt sich der Strompreis zusammen?

Der österreichische Endkundenpreis besteht zu 36,5 Prozent aus Steuern und Abgaben in Form von fünf verschiedenen Komponenten, darunter etwa auch Ökostromförderkosten in Höhe von 8,4 Prozent. Einen ebenso großen Anteil betragen die Netzkosten. Die Kosten für die reine Energie machen 27,9 Prozent des Gesamtpreises aus. Im europäischen Vergleich liegt der österreichische Strompreis im Mittelfeld. Durchschnittlich kostet die Kilowattstunde (kWh) hierzulande 20,12 Cent, davon entfallen 7,47 Cent auf Steuern und Abgaben.

Wie schaut es in den Nachbarländern aus?

Den höchsten Preis für Energie und Netz zahlen EU-weit die Iren und Belgier mit rund 20 Cent pro kWh, in Bulgarien gibt es den günstigsten Strom. Den höchsten Preis sowie die meisten Steuern und Abgaben veranschlagt Dänemark mit mehr als 30 Cent pro kWh beziehungsweise 19,7 Cent pro kWh. Deutschland liegt auf Platz zwei. Hier kostet eine kWh 30 Cent, davon entfallen 16,22 Cent für Steuern und Abgaben. Der Durchschnitt in der Europäischen Union liegt bei 21,13 Cent pro kWh beziehungsweise 7,84 Cent.

Auf welche Preise müssen wir uns künftig einstellen?

Die Energiewende, weg von Öl, Gas und Kohle hin zu erneuerbaren Energiequellen - auch und besonders im Verkehr -, bedeutet einen drastischen Anstieg des Strombedarfs. Experten rechnen damit, dass sich der Strompreis mindestens verdoppeln, bis zu vervierfachen wird, da etwa stark in Netze und Speichertechniken investiert werden muss. Allerdings wird der Endverbraucher auch nur ein Viertel des heute benötigten Stroms verbrauchen - der ineffiziente Nutzer könnte allerdings draufzahlen.

Wer bestimmt den Strompreis?

Seit der Liberalisierung 2001 ist der Strommarkt in Österreich auf 150 Stromanbieter mit rund 130 Produkten angewachsen. Jeder Kunde hat das Recht auf Netzzugang mit freier Lieferantenwahl - zu behördlich bestimmten Netzzugangsentgelten. Strom aus Österreich, Frankreich und Deutschland wird zu Marktpreisen an der Strombörse EEX (European Energy Exchange) in Leipzig gehandelt. Die Preisbildung erfolgt mit Zeitverzug, da die Händler langfristig einkaufen. Deswegen korrespondiert der Preis für den Endkunden oft nicht mit aktuellen Marktentwicklungen.

Gefährden erneuerbare Energieträger die Versorgungssicherheit?

Wenn das gesamte Energiesystem dekarbonisiert werden soll, müssen erneuerbare Energiequellen immens ausgebaut werden. Daraus ergibt sich das Risiko "kalte Dunkelflaute", und zwar länderübergreifend. Aufgrund von Schwachwind, starker Bewölkung sowie jahreszeitbedingter Dunkelheit über mehrere Tage oder Wochen hinweg produzieren Windkraft- und Solaranlagen zu wenig Strom, um die gleichzeitig kältebedingt hohe Nachfrage zu decken. Der bevorstehende Atom- und Kohleausstieg in Deutschland hat damit auch Folgen für die umliegenden Länder. Stellt ganz Europa seine Stromproduktion auf erneuerbare Energiequellen um, hat das schwerwiegende Folgen für die Versorgungssicherheit. Die Erzeugungslücken und Überschüsse aus Wind und Sonne müssen ausgeglichen werden und erfordern den Ausbau von Netzen sowie Wochen- und Saisonalspeichern. Der Sommer muss mittels dieser Speicher in den Winter und die Mittagsstunden müssen in den Abend gebracht werden. So gibt es etwa von April bis September Überschüsse von Wind, Photovoltaik und Laufwasser, von Oktober bis März wiederum Fehlmengen. Saisonalspeicher, etwa mittels Wasserstoff, stehen aber noch am Anfang der Entwicklung. Durch erneuerbares Gas aus Biomethan, Wasserstoff und synthetisches Gas könnte aber auch der Gasverbrauch bis 2050 weitgehend erneuerbar werden. Das erfordert allerdings ebenfalls einen Umbau von Back-up-Systemen (Speicher und Kraftwerke, die jederzeit abrufbar sind).