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Erneuerbare Energien im Aufwind

Von Julian Kern

Wirtschaft

Mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat sich auch der Wind innerhalb der Bevölkerung gedreht. Immer mehr wünschen sich einen raschen Ausbau von Sonnenenergie, Windkraft und Co.


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Sonnenstrom, Erdwärme, Wasser- und Windkraft: Die Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energie. Das hat eine Umfrage des Gallup Instituts ergeben, die von der E-Wirtschaft am Mittwoch vor einer Journalistenrunde vorgestellt wurde. "Die Österreicher wollen den erneuerbaren Ausbau und sie wollen ihn rasch", sagte Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Österreichs Energie. Hauptmotiv dafür sei auch die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine stärker ins Blickfeld gedrungene Versorgungssicherheit hierzulande. Während 2020 noch 46 Prozent der Meinung waren, dass die Stromerzeugungsmöglichkeiten ausgebaut werden sollten, wünschten sich dies im April und November 2022 rund 70 Prozent der Befragten.

Gegenüber dem Gallup Institut gaben 58 Prozent der 1.000 Befragten an, dass ihnen das Tempo beim Ausbau von Anlagen für erneuerbare Energie in Österreich zu langsam sei. Für acht von zehn Befragten hat eine sichere, unterbrechungsfreie Stromversorgung oberste Priorität, gefolgt von dem Wunsch nach einem niedrigeren Preis (74 Prozent). Etwas weniger als die Hälfte der Befragten wünschen sich mehr Tempo im Ausbau, da ihnen wichtig ist, woraus der Strom erzeugt wird. Dass Strom aus Gaskraftwerken entstehen soll, befürwortete im November des Vorjahres nur noch jeder Zehnte - 2020 und 2021 waren das mehr als 20 Prozent.

Zählerpunktanfragen angestiegen

Jener Trend habe sich auch in der Praxis bemerkbar gemacht: "Viele haben sich zum ersten Mal Gedanken über eine eigene Photovoltaikanlage gemacht", so Schmidt. Fast 172.00 Zählerpunktanfragen für Photovoltaik-Einspeisung gab es im Vorjahr in Österreich - fast viermal so viel wie im Jahr 2021, als es 44.411 Anfragen gab. Tatsächlich ans Netz gegangen sind im vergangenen Jahr mehr als 50.000 Anlagen.

Mit rund 75 Prozent Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gehört Österreich zwar zu den Spitzenreitern in der EU. Geschuldet ist dies allerdings dem historisch angewachsenen hohen Anteil an Wasserkraftwerken. Zwischen 2017 und 2021 konnte Österreich den Anteil an erneuerbaren Energien um nur 6,4 Prozent steigern. Die Niederlande hingegen konnten diesen Anteil im selben Zeitraum mit zahlreichen Solar- und Windenergieprojekten mit einem Plus von 120 Prozent mehr als verdoppeln.

Dass es sich bei den Erneuerbaren in Österreich in der Umsetzung sehr oft spieße, bestätigte sowohl Schmidt als auch Verbund-Chef Michael Strugl: "Es nutzt uns das beste Bundesgesetz nichts, wenn die Bundesländer ihre Flächen für den Ausbau nicht ausweisen", so der Boss von Österreichs größtem Stromerzeuger. Gemeinsam richteten sie ihren Appell an die Landeshauptleute und Bürgermeister, bei Energieprojekten und Flächenwidmungen mehr Mut zu zeigen.

100 Prozent grüne Stromproduktion bis 2030

Bis 2030 soll die österreichische Stromproduktion bilanziell zur Gänze erneuerbar sein. Um diese Ziele der Bundesregierung zu erreichen, braucht es laut Strugl ein Plus von 27 Terawattstunden grünen Strom. Einen konkreten Fahrplan dafür oder eine Zielsetzung für die Bundesländer fehle bislang aber. Um 100 Prozent Ökostrom in sieben Jahren zu erreichen "braucht es einen nationalen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Gemeinden", so Generalsekretärin Schmidt.

Nicht nur in Spanien, Frankreich und Italien - auch in Österreich hatten Laufkraftwerke im vergangenen Sommer mit niedrigen Pegelständen zu kämpfen. Zeitweise reduzierte sich aufgrund der Trockenheit die Stromproduktion aus Wasserkraft um ein Drittel. Verbund-Chef Strugl sieht das Potenzial der Wasserkraft dennoch nicht ausgeschöpft: "Es geht vor allem um die großen Pumpspeicher und die Revitalisierung bestehender Kraftwerke." Für die Errichtung weiterer Pumpspeicherkraftwerke, wie jenem in Kaprun, hofft Strugl auf eine Evaluierung der Förderungen für Großwasserkraftprojekte.

Um das von den Österreicherinnen und Österreichern geforderte Tempo zu erreichen, fordert die E-Wirtschaft Adaptierungen beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und beim Netzausbau. Neben der Erhöhung des Wasserkraftfördervolumens sei es laut Strugl auch denkbar, die Marktprämie zu erhöhen. "Die Energiewende ist auch eine Netzwende", so der Verbund-Chef. Neben Investitionsanreizen in die Netzinfrastruktur, Stichwort Eigenkapitalverzinsung, brauche es auch eine zukunftsgerichtete Regulierung. Konkret gehe es um eine bessere Steuerung zwischen Leistungs- und Arbeitsgebühr, dass jene, die das Netz stark belasten, dafür auch mehr bezahlen sollen.