Nach dem Rückzug der slowenischen Bewerberin für die EU-Kommission drängen EU-Mandatare auf eine neue Nominierung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Nun hat sie es doch getan. Die slowenische Kandidatin für die EU-Kommission, Alenka Bratusek, hat ihre Bewerbung zurückgezogen. In der Brüsseler Behörde hätte sie als Vizepräsidentin für die Energieunion verantwortlich sein sollen. Doch die zuständigen Ausschüsse im EU-Parlament lehnten sie ab. Bei ihrer Anhörung konnte die ehemalige Ministerpräsidentin nicht überzeugen, und schon ihre Nominierung hatte Kritik ausgelöst. Der Vorwurf lautete, Bratusek habe sich selbst - und gegen den Willen ihres Nachfolgers Miro Cerar - für den Spitzenposten in Brüssel aufgestellt. Trotzdem wies sie noch am Mittwoch Spekulationen über ihren Rückzug von sich.
Keinen ganzen Tag später war dann fix: Die liberale Politikerin ist nicht mehr Kandidatin, und Sloweniens Regierung muss einen anderen Vertreter finden. Die Stunden vor dieser Ankündigung aber werfen ein Licht auf einige Hintergründe der Bestellung einer neuen Kommission. Der Prozess ist nicht zuletzt ein Kräftemessen mit dem EU-Parlament. Und im Abgeordnetenhaus selbst legt er die politischen Konstellationen sowie Gräben offen.
Da bringen die großen Fraktionen schon kurz nach der Ablehnung Bratuseks einen neuen Namen ins Spiel. Kleinere Gruppierungen werfen ihnen daraufhin einen "Hinterzimmer-Deal" vor. Unterdessen lässt ein paar hundert Meter weiter entfernt, im Gebäude der Kommission, deren künftiger Präsident Jean-Claude Juncker über seinen Sprecher verlauten, dass er an der Bewerberin festhalte. Womit er für Verwirrung sorgt. Um kurze Zeit später per Aussendung "mit Respekt" die Entscheidung Bratuseks zum Verzicht auf die Kandidatur zur Kenntnis zu nehmen.
Werbung für Kollegin
Juncker hatte seine Gründe, sich nicht allzu eilig von der Anwärterin zu distanzieren. Zum einen wollte er wohl Zeit gewinnen. Zum anderen hat er die Ex-Ministerpräsidentin selbst ausgewählt. Denn aus Ljubljana wurde eine Kandidatenliste mit drei Namen nach Brüssel geschickt: Genannt wurden darin neben Bratusek die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Tanja Fajon sowie Außenminister Karl Erjavec. Juncker entschied sich für Bratusek.
Nach deren Ablehnung durch den Ausschuss machten sich die Sozialdemokraten im EU-Parlament prompt für ihre Kollegin stark. Tanja Fajon sei die "logische Kandidatin" für den Posten, befand Fraktionsvorsitzender Gianni Pittella. Er verwies auf die mehrjährige Erfahrung der ehemaligen Journalistin im Abgeordnetenhaus.
Unterstützung kam ebenso aus der größten Fraktion, der Europäischen Volkspartei. Deren Vorsitzender Manfred Weber appellierte an die slowenische Regierung, eine erfahrene Bewerberin zu nominieren. Fajon würde dieses Kriterium "perfekt" erfüllen.
Die Aussagen lösten bei den Liberalen im EU-Parlament wiederum Empörung aus. Der slowenische ALDE-Mandatar Ivo Vajgl sprach von einer "Drangsalierung der Regierung", die unakzeptabel sei. Die Ernennung eines Kandidaten sei nicht Gegenstand einer Absprache zwischen den Fraktionen im EU-Abgeordnetenhaus, sondern Sache der Koalition in Ljubljana. Dort kursierten auch andere Namen, etwa der der für Entwicklung und Kohäsion zuständigen Ministerin Violeta Bulc.
Es müsste jedenfalls eine Frau sein, die Bratusek nachfolgt. Denn Juncker wollte in seiner Mannschaft ausreichend weibliche Mitglieder haben - worauf ebenso das EU-Parlament besteht. Doch wenigstens neun Kandidatinnen von den Ländern genannt zu bekommen, hatte dem Luxemburger schon Mühe bereitet. Es könnte zusätzlich noch die Frage nach der Kompetenz aufgeworfen werden: Immerhin hätte Bratusek den Posten einer Vizepräsidentin übernehmen sollen.
Etliche EU-Mandatare drängen auf eine rasche Entscheidung. Sie meinen, dass der Zeitplan noch eingehalten werden kann. Stellt sich die neue Kandidatin kommende Woche einer Anhörung, könne das Votum über die Kommission wie geplant am 22. Oktober stattfinden.