Peking. Hunderte Tibeter haben im Südwesten Chinas Berichten zufolge erneut gegen Pekings Tibet-Politik protestiert. Dabei wurden nach Darstellung einer Menschenrechtsgruppe acht Demonstranten getötet, darunter drei Frauen und ein Mönch. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete am Freitag ebenfalls von einer Protestaktion, dabei soll ein Polizist verletzt worden sein.
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Tibeter hätten am Donnerstagabend vor einem Regierungsgebäude in der Autonomen Tibetischen Präfektur Garze in der Provinz Sichuan protestiert, berichtete Xinhua. Daraufhin habe die Polizei Warnschüsse abgegeben, um die gewaltsamen Proteste unter Kontrolle zu bringen. Bei den Protesten sei ein örtlicher Funktionär schwer verletzt worden.
Die in London ansässige Organisation Free Tibet Campaign berichtete unter Berufung auf tibetische Mönche im indischen Exil, dass Regierungskräfte das Feuer auf Demonstranten eröffnet hätten. Die rund 370 Mönche des Klosters Thonkor und 400 weitere Tibeter hätten vor dem Regierungsgebäude protestiert, um die Freilassung von zwei Mönchen zu erreichen. Diese waren festgenommen worden, da die Sicherheitskräfte bei ihnen Fotos des Dalai Lama gefunden hatten.
Zuvor hatten die chinesischen Behörden versucht, ihre "patriotische Erziehungskampagne" in dem Kloster durchzusetzen, wie die Organisation in London weiter berichtete. Peking verlangt von den Mönchen, dem Dalai Lama abzuschwören. Das Oberhaupt der Tibeter lebt seit 1959 im indischen Exil. Fotos von ihm zu besitzen ist in China verboten. Die Präfektur Garze liegt in der Provinz Sichuan an der tibetischen Grenze und gehörte früher zu Tibet. Dort leben viele Tibeter.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) soll seinen Mitgliedern in einem internen Memorandum nahegelegt haben, wie sie auf den Tibet-Konflikt vom vergangenen Monat reagieren sollten. IOC-Präsident Jacques Rogge habe bereits am 17. März eine entsprechende Notiz verschickt, berichtete die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF/RoG) am Freitag. Rogge habe darin erklärt, die chinesische Tibet-Politik beeinträchtige die Olympischen Sommerspiele nicht, und habe einen Boykott abgelehnt.
Die Ereignisse in Tibet seien beunruhigend, würden den Erfolg der Olympischen Spiele aber nicht bedrohen, zitierte "Reporter ohne Grenzen" aus dem Memo. Keine glaubwürdige Regierung oder Organisation unterstütze die Idee eines Olympia-Boykotts, hieß es laut der in Paris ansässigen Organisation zufolge weiter.
Das IOC hoffe auf eine rasche friedliche Lösung der Gewalt in Tibet, hieß es laut den Angaben weiter. Das Komitee bringe solche Themen jedoch grundsätzlich nicht bei den Gastgebern zur Sprache. "Reporter ohne Grenzen" verlangte vom IOC, die chinesischen Behörden auf ihre Selbstverpflichtung aus dem Jahr 2001 hinzuweisen, als Peking den Zuschlag für Olympia erhalten hatte.
Ein Gesandter des Dalai Lama forderte China unterdessen auf, den olympischen Fackellauf durch Tibet abzusagen. Die Flamme nach dem harten Vorgehen der Behörden gegen anti-chinesische Proteste durch die Himalaya-Region zu tragen, wäre eine "absichtliche Provokation" und "beleidigend", sagte Lodi Gyari vor dem US-Kongress in Washington. Sollte China an den tibetischen Etappen festhalten, würde dies weitere "negative Schlagzeilen" für die Olympischen Sommerspiele in Peking hervorrufen, fügte er hinzu.
Das chinesische Organisationskomitee der Olympischen Spiele wies die Forderung scharf zurück. Dahinter steckten die Versuche der "Dalai-Clique", Olympia zu sabotieren, sagte die Sprecherin Zhu Jing der Nachrichtenagentur AFP. Der Fackellauf führt auf zwei Etappen durch Tibet: Durch die Himalaya-Region wird die Flamme im Mai zunächst zum Mount Everest gebracht. Im Juni soll der Lauf auch durch die tibetische Hauptstadt Lhasa führen.
In Tibet waren am 10. März anti-chinesische Proteste ausgebrochen und vier Tage später eskaliert. Die Unruhen haben nach offiziellen Angaben 22 Menschen das Leben gefordert. Die tibetische Exilregierung in Indien spricht von 140 Todesopfern.