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Problem wurde von Kommunismus überdeckt. | Budapest. Der Konflikt zwischen der Slowakei und Ungarn hat durch die Gründung einer Bewegung für eine autonome Südslowakei neue Nahrung bekommen. Dabei schien eigentlich Besserung im Verhältnis beider Staaten in Sicht, seit mit Miroslav Lajcák und Péter Balázs in beiden Ländern neue Außenminister im Amt sind, die beide als gemäßigt gelten.
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Er werde gerade mit Blick auf die im Ausland lebenden Ungarn "sensibel vorgehen", kündigte Balázs bei seiner Antrittspressekonferenz Mitte April an. Lajcák wiederum legte vor kurzem ein Konzept zur verbesserten Integration nationaler Minderheiten in der Slowakei vor.
Zuletzt hatten sich die Spannungen zwischen beiden Ländern sehr heftig im November entladen, nachdem es bei einem Fußballmatch im südslowakischen Dunajská Streda zu schweren Ausschreitungen gekommen war, hinter denen angeblich Hooligans aus Budapest steckten. Nach wie vor fordert die ungarische Regierung dafür von Pressburg Beweise.
Vor zwei Wochen kam es in Dunajská Streda zu einer Demonstration für die Autonomie der überwiegend von Angehörigen der ungarischen Minderheit bewohnten Südslowakei. Eine Woche später löste Viktor Orbán, Vorsitzender der ungarischen Oppositionspartei Fidesz, in der Slowakei einen Sturm der Entrüstung aus, weil er bei einer Veranstaltung der slowakischen Ungarnpartei SMK davon sprach, dass bei den Europawahlen auch darüber abgestimmt werde, wie viele Abgeordnete künftig die Interessen "der Ungarn im Karpatenbecken" verträten. Der slowakische Premier Robert Fico nannte das einen Angriff auf die Staatssouveränität.
"Der Konflikt wird vonoben geschürt"
Erzsébet Fanni Tóth, die an der Siegmund-Freud-Universität in Wien zur Bedeutung der Benes-Dekrete für das kollektive historische Gedächtnis von Überlebenden der Deportationen nach 1945 und der Nachfolgegenerationen forscht, hält die jüngsten Entwicklungen für besorgniserregend. Problematisch sei vor allem, dass der Konflikt "von oben" geschürt werde, "dadurch wird die Atmosphäre unter Slowaken und Ungarn im Alltag vergiftet". Das Grundproblem "ist, dass wir uns nicht einigen, wer zuerst da war und wie wir unsere gemeinsame Geschichte bewerten sollen".
Dabei spreche etwa Orbán wohl kaum einem Angehörigen der ungarischen Minderheit in der Slowakei aus dem Herzen. Bei einer Umfrage, die im Vorjahr unter 3500 slowakisch-ungarischen Studenten im letzten Universitätsjahr an Hochschulen in der Slowakei, Tschechien und Ungarn durchgeführt wurde, hätten mehr als zwei Drittel der Befragten die Slowakei "meine Heimat" genannt. Die Slowaken hätten die Studenten als das Volk bezeichnet, das ihnen am nächsten sei, was eine Überraschung war, weil mit einer relativ schlechten Bewertung der Slowaken gerechnet worden war.
Im Übrigen lasse sich an den gegebenen Antworten ablesen, dass künftig etwa in einem Fünftel der zur ungarischen Minderheit rechnenden Familien Slowakisch gesprochen werden dürfte, heute sei dies in drei bis sechs Prozent aller Familien der Fall.
Der "eher als bilateral einzustufende" Konflikt trete in jüngster Zeit deshalb so heftig zu Tage, weil die Staaten des früheren Ostblocks untereinander keine Konflikte austragen konnten, sagt Tóth. Vielmehr habe man einen gemeinsamen Feind, den Westen, und ein gemeinsames Ziel, die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft gehabt.
Erst nach 1989 seien die Benes-Dekrete von den Ungarn gegenüber der Tschechoslowakei und später ihren Nachfolgestaaten Tschechien und Slowakei gegenüber thematisiert worden, um eine offizielle Entschuldigung und auch Wiedergutmachung für die Opfer der Deportation einzufordern, wenngleich das momentan nicht aktuell sei.