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Fünf österreichische Banken beherrschen etwa ein Fünftel des Marktes.
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Budapest. Jeder Ungar darf sich vom 1. Jänner an kostenlos beerdigen lassen. Dieses neue Gesetz auf Initiative der Regierung von Viktor Orbán ist nur ein kleines, aber makabres und eindeutiges Zeichen dafür, dass in Ungarn der Wahlkampf begonnen hat. Die Frage ist nun, ob Orbán, der bei der Parlamentswahl im Frühjahr 2014 wieder eine Zweidrittel-Mehrheit erringen will, nicht noch mehr "beerdigt" als Bürger, deren Familie sich keinen teuren Sarg leisten kann - nämlich den Bankensektor. Der rechtsnationale Regierungschef stellte den Banken nämlich ein Ultimatum: Bis zum 1. November müssten sie die Hypotheken-Devisenkreditverträge, unter denen viele Ungarn leiden, zugunsten der Kunden ändern. Dies sei eine "moralische Verpflichtung". Täten die Banken dies nicht, würde die Regierung einschreiten. Es passt gut in Orbáns stetige Rhetorik vom "wirtschaftlichen Freiheitskampf" gegen die "Multis".
Orbán berührte hier aber auch ein seit langem schwelendes Problem, das derzeit etwa eine Viertelmillion ungarischer Familien trifft. Die Menschen hatten vor Ausbruch der globalen Krise 2008 massiv Hypotheken-Kredite in Schweizer Franken und in Euro aufgenommen, um Häuser zu bauen oder Wohnungen zu kaufen. Diese Kredite hatten wegen der niedrigeren Zinsen attraktiv gewirkt. Der Haken dabei: Der Forint hat massiv abgewertet, folglich stiegen die Schulden der Kreditnehmer. Viele Ungarn haben dadurch schon ihr Obdach verloren, etwa 3000 sollen sich deswegen das Leben genommen haben, sagt ihre Interessenvertretung, die Koppány-Gruppe. Die Gruppe organisiert immer wieder Protestdemonstrationen vor den Wohnungen von Bank-Bossen, Gerichtsvollziehern, aber auch vor dem Privatdomizil Orbáns.
"Katastrophe für Österreich"
Wie sich der Regierungschef die Lösung konkret vorstellt, ließ er im Unklaren. "Keiner weiß, wohin die Reise geht", sagte Erika Teoman-Brenner, Leiterin des Büros der Österreichischen Wirtschaftskammer in Budapest, der "Wiener Zeitung". Sollten die Banken dazu verpflichtet werden, die Kredite in Forint zu konvertieren, wäre dies "eine Katastrophe". Zwar gebe es noch keine Anzeichen für einen Rückzug österreichischer Banken aus Ungarn. Fünf Kreditinstitute aus dem Land der "Schwager" beherrschen nach Schätzung von Teoman-Brenner 20 Prozent des Marktes in Ungarn. Dies dürfte etwa einem Volumen von 20 Milliarden Euro entsprechen (Stand 3. Quartal 2012). Die Erste Bank und die Raiffeisenbank gehören zu den größten Kreditinstituten mit ausländischem Kapital in Ungarn. Allerdings hätten die bisher "total nebulösen" Nachrichten über die Banken-Politik bereits "psychologische Auswirkungen" auf österreichische Unternehmer aus anderen Branchen, sagt Teoman-Brenner. Immer öfter kämen Fragen, ob man in Ungarn als ausländisches Unternehmen überhaupt willkommen sei. Diesen Leuten erklärt die Wirtschaftsdelegierte, dass Ungarns Regierung Unternehmen, die im Land etwas produzieren und Arbeitsplätze schaffen - wie etwa Audi, Daimler und Suzuki - geradezu "verhätschelt" würden - ganz im Gegensatz zu den Dienstleistern wie etwa Banken. Diese hat Orbán gleich nach seinem Amtsantritt 2010 mit Sondersteuern bestraft.
Orbán brachte aber auch die ungarischen Banken gegen sich auf. Mihály Patai, Vorsitzender des ungarischen Bankenverbandes, zu dem auch die ausländischen Banken gehören, sagte, das Problem der Devisenkredite sei nicht bis zum 1. November lösbar. Überhaupt könne es einen Bumerang-Effekt haben, wenn man die Devisenkredite schlagartig und vollständig in Forint umwandeln würde, weil dies zu einer übermäßigen Nachfrage nach Franken führen würde. Das wiederum würde den Forint "dramatisch" schwächen und zu einer Spirale von Teuerungen führen.
Die Oppositionsparteien schlagen vor, dass der Staat stattdessen die Immobilien der überschuldeten Ungarn aufkaufen und deren Ex-Besitzer dann gegen Miete darin wohnen lassen sollte. Zugleich solle die Regierung mehr gegen die Wechselkurs-Entwertung des Forint tun - das würde den Devisenschuldnern die Kreditrückzahlung erleichtern. Das links-liberale Bündnis Együtt 2014 (Gemeinsam 2014) des Ex-Ministerpräsidenten Gordon Bajnai erinnerte daran, dass es Orbáns erste Regierung (1998-2002) war, die erstmals diese verhängnisvollen Devisenkredite in Ungarn erlaubt hat.
Auf die Opposition dürfte Orbán sicherlich nicht hören - vielleicht aber auf den Fachmann Patai vom Bankenverband? Orbáns Truppe habe "bisher nie auf die Banken gehört, es hat sie nie interessiert", sagt Teoman-Brenner. "Alles wird immer über den Kopf der Betroffenen hinweg entschieden." Selbst in Orbáns Lager ist die Begeisterung über die Attacke auf die Banken nicht einstimmig. Ausgerechnet Orbáns bisher wichtigster wirtschaftspolitischer Mitstreiter, der Notenbankchef György Matolcsy, äußerte sich reserviert zu dem Plan: Die Nationalbank werde nur dann als Partner der Regierung auftreten, falls diese eine entschlossene wirtschaftspolitische Konzeption bei den Fremdwährungskrediten auf den Tisch lege, drohte Matolcsy.