Rennen um Außenminister wieder offen. | Unklarheiten im Vorfeld des Berliner Treffens. | Brüssel/Berlin. Es scheint schwieriger als erwartet, die zwei neuen Top-Jobs an der Spitze der EU zu besetzen. Schon gestern, Montag, wollten die derzeit der Union vorsitzenden Schweden Nägel mit Köpfen machen.
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Eine informelle Einigung auf den neuen EU-Ratspräsidenten und den künftigen EU-Außenminister sollte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die Hände zur Bildung seines neuen Kommissarsteams frei machen. Doch intensive telefonische Beratungen mit Berlin, Paris und London hatten offenbar noch nicht das gewünschte Ergebnis gebracht; im Vorfeld des Treffens der Staats- und Regierungschefs zur Feier des Jubiläums des Mauerfalls in Berlin erklärte der deutsche Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, es werde noch keine Entscheidung geben.
Probleme daheim
Als Top-Favorit für den neuen Ratspräsidenten gilt zwar weiter der belgische Premier Herman van Rompuy. Laut britischen Medien soll London aber vielleicht doch eher für den niederländischen Regierungschef Jan Peter Balkenende sein. Der hatte zuletzt eine massive Lobbying-Kampagne in eigener Sache gestartet.
Wie bei Van Rompuy brächte die Bestellung vor allem daheim Probleme. Der Belgier hatte es geschafft, sein Land in den letzten zehn Monaten aus heftigen politischen Turbulenzen zwischen der flämischen und der französischsprachigen Bevölkerung in etwas ruhigeres Fahrwasser zu steuern. Wird er EU-Präsident, taucht der glücklose Ex-Premier und derzeitige Außenminister Yves Leterme als Nachfolger auf, wie belgische Medien kritisch vermerken. Balkenendes Abgang brächte den Niederländern womöglich Neuwahlen; seinen Christdemokraten dürfte das nicht besonders gut bekommen. Neu als mögliche Überraschungskandidatin wurde noch die litauische Präsidentin und ehemalige EU-Kommissarin Dalia Grybauskaite genannt.
Wieder offen scheint das Rennen um den ersten Außenminister: Aus der Sozialdemokratischen Partei Europas war mehrfach zu hören, dass der bisher als Favorit gehandelte britische Chefdiplomat David Miliband - wieder einmal - abgewunken habe. Um beurteilen zu können, wie ernst diese Ankündigung sei, müsse man zumindest Milibands exakte Aussage kennen, meinte ein Diplomat. Hinter dem Briten wird noch der frühere italienische Premier Massimo DAlema als Kandidat geführt. Der Ex-Kommunist gefällt jedoch neuen EU-Ländern im Osten nicht.
Schwindende Außenseiterchancen werden den früheren österreichischen Regierungschefs Alfred Gusenbauer auf das Amt des Außenministers und Wolfgang Schüssel als Ratspräsident gegeben.
Unter Zeitdruck
Und die Zeit drängt: Bis Ende der Woche oder allerspätestens Mitte nächster Woche brauche das EU-Parlament alle 26 Kommissarsnamen inklusive Ressorts, um die Anhörungen noch bis Monatsende vorbereiten zu können, hieß es. Gelingt das nicht, muss der bisher anvisierte Amtsantritt der Kommission per 1. Jänner 2010 wohl verschoben werden. Barroso müsse mit der Bildung seines Teams aber nicht den EU-Sondergipfel zur Formalisierung der neuen EU-Spitzen abwarten, der in den kommenden Tagen stattfinden soll.