Zum Hauptinhalt springen

Ernst Jandls letzter Auftritt

Von Hermann Schlösser

Kommentare

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Eigentlich sollte Brita Steinwendtners Ernst-Jandl-Porträt zum 75. Geburtstag des Dichters am 1. August gesendet werden. Nach seinem plötzlichen Tod wurde jedoch ein Nekrolog daraus. Am vergangenen Donnerstag war er im Rahmen der "Kunststücke" (ORF 1)zu sehen, und seine besten Teile bestritt der Autor selbst. Er las Gedichte, oder genauer gesagt: er spielte sie vor, wie man Musikstücke vorspielt. Und der begeisterte Zuhörer und -seher musste sich die traurige Frage stellen, wer wohl in Zukunft diese Texte so schön vorlesen wird wie ihr Verfasser zu Lebzeiten.

Das eigentliche Thema des Films aber war "Ernst Jandls Wien". Dabei wurde unter anderem deutlich, dass sich Jandls Leben im wesentlichen in zwei Bezirken abspielte: Dem 2., in dem er die längste Zeit gewohnt hat, und den er im Gedicht "Franz-Hochedlinger-Gasse" nicht unbedingt schmeichelhaft beschrieben hat. Bedeutender aber war, wenn man dem Film glauben darf, der 3. Bezirk für Jandl. Dort ist er geboren und aufgewachsen. Das Belvedere, der Botanische Garten, die Kleistgasse, die Fasangasse spielen in seinen Gedichten eine Rolle. Und in einem Text entwickelt Jandl seine ganze Kindheitsgeschichte aus den ermahnenden Worten seiner Mutter: "Merk dir, du heißt Ernst Jandl und wohnst Wien 3, Landstraßer Gürtel 9."

Der Film, der Jandls letzter werden sollte, befasste sich also mit seiner Wiener Nahwelt. Und danach mochte es einem fast tröstlich erscheinen, dass Ernst Jandl im Rudolfspital, also im 3. Bezirk, gestorben ist.