Der Oberste Gerichtshof entscheidet darüber, ob und wie lange der frühere Innenminister ins Gefängnis muss.
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Wien. "Sie werden in Österreich kein Gericht finden, das dieser Verantwortung glauben wird", erklärte Richter Georg Olschak, als er am 14. Jänner den früheren Innenminister und ÖVP-Europapolitiker Ernst Strasser in der Lobbying-Affäre wegen Bestechlichkeit zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilte. Zu fantastisch klingt seine Geschichte, er habe sich nur zum Schein auf die Gespräche mit den Lobbyisten eingelassen, um eine Geheimdienst-Verschwörung aufzudecken. Tatsächlich waren es getarnte britische Journalisten, denen er anbot, für 100.000 Euro die Gesetzgebung im EU-Parlament zu beeinflussen. Doch Strasser bleibt bei seiner Version und hat Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht. Heute, Dienstag, genau ein Jahr nach Beginn des erstinstanzlichen Prozesses, entscheidet der Oberste Gerichtshof (OGH) in der Causa. Strassers letzte Chance ist dabei ein möglicher Fehler von Richter Olschak. Das könnte ihm zumindest einen Teil der Haftstrafe ersparen.
Mandat ist kein zusätzlicher Erschwerungsgrund
Strafrechtler hatten das Urteil seinerzeit als sehr hart bezeichnet - zumal Strasser unbescholten war. In seinem Urteil wertete Olschak Strassers Funktion als EU-Mandatar als "zusätzlichen Erschwerungsgrund" - möglicherweise zu Unrecht. Wegen Bestechlichkeit können nur Amtsträger verurteilt werden, und ein solcher ist Strasser als EU-Abgeordneter. Die Generalprokuratur sieht daher einen möglichen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot. Sie empfiehlt dem OGH zwar eine Beibehaltung des Schuldspruchs, allerdings auch eine Verringerung der Strafe - und das könnte dem Ex-Innenminister sogar eine unbedingte Haft ersparen.
Die Empfehlung der Generalprokuratur ist für die Höchstrichter nicht bindend, in der Regel folgen sie ihr aber. Das ist Strassers große Hoffnung, denn sollten die Richter die Strafe auf unter vier Jahre reduzieren, wäre nämlich auch eine teilbedingte Haft möglich. Sollte der unbedingte Haftanteil unter einem Jahr liegen, könnte der Ex-Politiker sogar eine Fußfessel beantragen und sich so das Gefängnis ersparen. "Wenn die Möglichkeit besteht, werden wir selbstverständlich die Fußfessel beantragen - sollte es bei einer Verurteilung bleiben", erklärte Strasser-Anwalt Thomas Kralik.
Ein strengeres Urteilist nicht möglich
Sollten die Höchstrichter hingegen das Urteil bestätigen, müsste Strasser zumindest die Hälfte der Strafe verbüßen (davon höchstens ein Jahr im überwachten Hausarrest) und dann einen Antrag vorzeitige Entlassung stellen. Ein strengeres Urteil kann der OGH übrigens nicht aussprechen, da die Staatsanwaltschaft gegen das Strafmaß nicht berufen hat.
Strasser war nicht der einzige EU-Mandatar, der seinerzeit den beiden Journalisten der "Sunday Times" auf den Leim ging. Der slowenische Sozialdemokrat und Ex-Außenminister Zoran Thaler wurde ebenfalls bei kompromittierenden Gesprächen gefilmt. Wie Strasser behauptet auch er, einer Geheimdienstverschwörung auf der Spur gewesen zu sein. Am 21. März 2011 trat er als EU-Mandatar zurück - einen Tag nach Ernst Strasser und wenige Tage, nachdem die Videos ins Netz gestellt worden waren. Im Jänner 2012 stellte die europäische Betrugsbehörde Olaf das Verfahren gegen ihn ein mit der Feststellung, dass keine Rechtsverletzung vorliege.
Thaler ist zwar sein Mandat los, wird dafür aber nicht angeklagt. Ganz im Gegensatz zum dritten Beschuldigten in der sogenannten Cash-for-Laws-Affäre, den rumänischen EU-Parlamentarier Adrian Severin. Er war der Einzige, der sich damals weigerte, zurückzutreten. Bis heute sitzt er im EU-Parlament, allerdings wurde er aus der sozialdemokratischen Fraktion ausgeschlossen. Im August dieses Jahres wurde ihm nun von der rumänischen Antikorruptionsbehörde DNA mitgeteilt, dass gegen ihn Anklage wegen Bestechung, Betrug mit EU-Geldern und Einflussnahme erhoben wird. Severin beharrt weiter darauf, unschuldig zu sein, und spricht von einer Inszenierung, um einen unbequemen Politiker loszuwerden. Aber auch er wurde dabei gefilmt, wie er für die Einflussnahme auf Gesetze Geld fordert. Dabei wäre er im Vergleich zu Strasser ein wahres Schnäppchen. Forderte der Österreicher 100.000 Euro, hatte Severin für seine Dienste gerade einmal 12.000 Euro verrechnet.
Strengere Verhaltensregeln für EU-Parlamentarier
Auch das EU-Parlament hat auf die Affäre reagiert und die Richtlinien für Abgeordnete verschärft. Diese werden seit 2012 von einem Verhaltenskodex verpflichtet, vollständige Angaben zu ihren Nebeneinkünften und -tätigkeiten zu machen, sofern diese 500 Euro pro Monat oder 5000 Euro pro Jahr übersteigen. Geldgaben oder Geschenke mit einem Wert von mehr als 150 Euro dürfen sie überhaupt nicht annehmen. Ein eigenes Gremium wacht darüber, dass der Verhaltenskodex eingehalten wird. Es kann Sanktionen verhängen, vom Sitzungsausschluss bis hin zum Entzug von Funktionen.