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Richterin nimmt früheren EU-Mandatar in die Mangel.
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Wien. "Diese Richterin wird Strasser verurteilten." So die Einschätzung eines prominenten Wiener Verteidigers schon nach wenigen Minuten in der Neuauflage des Strafprozesses gegen Ex-Innenminister Ernst Strasser in der Lobbying-Affäre. Zumindest ließ Richterin Helene Gnida am Dienstag nicht einen Augenblick lang den Eindruck entstehen, dass der Prozess eine gemütliche Angelegenheit wird. Strasser wird vorgeworfen, von zwei als Lobbyisten getarnten Journalisten 100.000 Euro gefordert zu haben, um als Europaabgeordneter auf die EU-Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. In einem ersten Verfahren war er dafür zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Allerdings hatte der Oberste Gerichtshof das Urteil aufgehoben, weil im Urteil zu wenig klar war, ob das Geld für allgemeine Einflussnahme gedacht war oder für die Beeinflussung ganz bestimmter Gesetze.
Der OGH, der die Causa an die Erste Instanz zurückverwiesen hat, fordert ein kurzes Verfahren, zumal vieles aus dem ersten Prozess übernommen werden kann. Richterin Gnida hat vorerst drei Verhandlungstage und zwei Ersatztage anberaumt, das Urteil soll am 13. März fallen. Die kurze Zeit bis dahin will sie aber umso intensiver nutzen. Entsprechend intensiv fiel die Befragung Strassers am Eröffnungstag aus.
Staatsanwältin Alexandra Maruna listete in ihrem Eröffnungsplädoyer vier konkrete Gesetze, auf die Strasser versucht habe, Einfluss zu nehmen: Es gehe dabei um eine Richtlinie zur Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektrogeräten, eine Elektroschrottrichtlinie, eine Richtlinie zu genetisch verändertem Saatgut sowie die Anlegerschutzrichtlinie. Richterin Gnida ging noch einen Schritt weiter und konfrontierte Strasser mit zahlreichen anderen brisanten Interventionen. So sprach er für die österreichische Staatsdruckerei, in deren Beirat er saß, bei EU-Kommissar Michel Barnier vor, vermittelte für Red Bull Gespräche mit einer deutschen Bundesministerin und für den mittlerweile pleitegegangenen Baukonzern Alpine Kontakte nach Rumänien und Bulgarien.
Keine Einflussnahme,
nur Informationen
Strasser verteidigte sich, dass er stets strikt getrennt habe zwischen seiner politischen Tätigkeit als Abgeordneter und seiner beruflichen Tätigkeit als Berater. Er habe diesbezüglich eine "rote Linie" gezogen, die er nie überschritten habe. Genau das zog Richterin Gnida allerdings in Zweifel. So sei er sehr wohl in Sachen EU-Richtlinien im Sinne seiner vermeintlichen Auftraggeber tätig geworden (Strasser will hier nur Informationen geliefert, nicht aber Einfluss genommen haben). Außerdem habe er seine parlamentarische Mitarbeiterin für seine Beratungstätigkeit recherchieren lassen. "Ja, da haben Sie recht", musste Strasser kleinlaut zugeben.
Die Verteidigungsstrategie Strassers hat sich gegenüber dem ersten Prozess nicht geändert. Er bleibt dabei, keine konkreten Schritte gesetzt zu haben. Auch die Sache mit dem Geheimdienst - er vermutete hinter den vermeintlichen Lobbyisten Agenten, tatsächlich waren es Journalisten - hielt er aufrecht, auch wenn er einräumte, dass diese "überspitzt formuliert" gewesen sei. Tatsächlich ist diese Geschichte keineswegs schlüssig: Einerseits fürchtete Strasser, dass er von (US-) Geheimdiensten überwacht wurde ("als ehemaliger Innenminister wusste ich schon damals, was die Öffentlichkeit erst seit Snowden und Wikileaks weiß"), gleichzeitig tauschte er zur selben Zeit ohne jegliche Bedenken seine Wohnung mit einer amerikanischen Familie. Auch wollte er die Hintermänner seiner vermeintlichen Auftraggeber enttarnen, gleichzeitig aber - sollten es doch echte Kunden sein - diese nicht gänzlich vergraulen.
Othmar Karas belastet
Strasser schwer
Schwer belastet wurde Strasser am Dienstag von seinem früheren Parteifreund und Kollegen im EU-Parlament, Othmar Karas. Dieser bestätigte seine Aussage vom ersten Prozess, wonach er "noch nie einen derartigen Versuch der Einflussnahme eines Abgeordneten erlebt" habe wie im Fall der Anlegerschutzrichtlinie. Das sei schon "ungewöhnlich" gewesen, so Karas. Strassers Anwalt erklärte gegenüber Journalisten, es seien jeweils nur allgemeine Gespräche über Richtlinien gewesen, ohne jegliche Gegenleistung. Daher rechne er mit einem Freispruch.
Strasser, der nach einem Skiunfall auf Krücken im Gericht erschien, drohen im Fall einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft. Der Prozess wird am Donnerstag mit der Befragung einer Mitarbeiterin von Karas. Außerdem werden die Videoaufnahmen, die die britischen Journalisten bei den Treffen mit Strasser heimlich aufgenommen haben, gesichtet.