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Ernsthaft oder eh nur SNU?

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Von Wölfen über E-Fuels bis zu Mercosur: Weiß Politik, wo der Spaß aufhört?


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Die kleine Welt mit der großen in Beziehung setzen: Darin besteht die Kunst von Politik in einem Staat wie Österreich genauso wie in einer Gemeinschaft wie der EU. Zu häufiges Scheitern können sich weder die Republik noch die Union leisten. Aktuell ist es gerade ein knappes Rennen.

Möglich, dass das Getöse um Wolfsabschüsse zwischen ÖVP (selbstredend pro) und Grünen (contra) in die Rubrik SNU (Strategisch Notwendiger Unsinn) fällt, wie er im Handbuch für Kommunikationsprofis von Gerald Fleischmann beschrieben wird. Dann wäre es immer noch schlimm, aber nur halb so schwerwiegend, wie wenn wirklich ernst gemeint.

Komplizierter wird es bei der Autofrage. Natürlich ist Technologieoffenheit eine sinnvolle Strategie, wenn das Endergebnis eines Transformationsprozesses in den Sternen steht und sich am Ende die - nach Abwägung aller Vor- und Nachteile - besten Lösungen durchsetzen sollen. Das derzeit angeblich in der Koalition zum Wohle des Autostandorts Österreich ausgerufene Match Verbrenner mit E-Fuels (ÖVP) versus E-Antrieb geht aber maximal als "Virtue Signalling" zweier Parteien durch, die vor den nächsten Wahlen bangen.

Ernst wird es beim Umgang mit dem Mercosur-Handelsabkommen zwischen der EU und Südamerika, das von Österreich praktisch flächendeckend abgelehnt wird, unter anderem auch von der Wirtschafts- und Kanzlerpartei ÖVP. Dabei geht es um mehr Handel zwischen Europa und fast 280 Millionen Menschen in Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay und Venezuela, das derzeit suspendiert ist. Alles potenziell enorm wichtige Partner in Sachen Demokratie, Rohstoffen und Konsumenten. Die Konkurrenz in Gestalt von China und Russland hat längst den Fuß in der Tür. Die danken herzlich für das Njet aus Wien (und von anderswo).

Die Lehre aus der Pandemie ist: Europa muss sich aus allzu einseitigen Abhängigkeiten von China befreien. Die Lehren aus Russlands Krieg gegen die Ukraine lauten: Erstens, Europa muss sich aus der Abhängigkeit von russischen Energieimporten lösen, und zweitens, der westliche Blick auf diesen Krieg unterscheidet sich von jenem der übrigen Welt teils erheblich.

Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar hat der EU schon vor einiger Zeit folgenden eindrücklichen Satz ins Stammbuch geschrieben: Europa muss endlich aufhören zu glauben, dass seine Probleme auch die Probleme der ganzen Welt seien, aber die Probleme der Welt nicht auch die Probleme Europas.

Man würde sich wünschen, Österreichs Politik würde diesen Satz auch auf sich selbst beziehen. Und daraus die gebotenen Schlüsse ziehen.