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Ex-Premier François Fillon gilt im Rennen um die UMP-Spitze als Favorit.
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Paris. Kein politischer Gegner, so heißt es, kann gefährlicher sein als ein Parteifreund. Eine Weisheit, die auch auf den Machtkampf in Frankreichs größter Oppositionspartei, der bürgerlich-konservativen UMP, zutrifft. Monatelang duellierten sich der ehemalige Premierminister François Fillon und der bisherige Generalsekretär Jean-François Copé um das Erbe von Nicolas Sarkozy als neuem starken Mann der französischen Konservativen. Eine Aufarbeitung der Wahlniederlage oder inhaltliche Diskussionen fanden kaum statt: Alles konzentrierte sich auf den parteiinternen Wahlkampf, der von immer aggressiveren Tönen begleitet wurde. Seinen Höhepunkt findet er an diesem Sonntag, wenn rund 300.000 UMP-Mitglieder landesweit abstimmen.
Eine große Beteiligung käme Fillon gelegen, der in seiner Zeit als Premier stets zu den beliebtesten Politikern des Landes gehörte, auch über Parteigrenzen hinweg. Seine langjährige Regierungserfahrung verleiht dem 58-Jährigen die Statur eines Staatsmannes - in Frankreich ein gewichtiges Argument. Eine Mehrheit der Schwergewichte der Partei, darunter die frühere Budgetministerin Valérie Pécresse und der ehemalige Finanzminister François Baroin, unterstützen Fillon. Ein geringeres Wählerinteresse würde hingegen Copé nutzen, der einen harten Kern der aktiven Parteimitglieder hinter sich weiß. Bevor er vor zwei Jahren Generalsekretär wurde, stand er an der Spitze der UMP-Fraktion in der Nationalversammlung - daher sein gutes Netzwerk und eine genaue Kenntnis des Parteiapparates. Seine Ambitionen für die Präsidentschaftswahl 2017 hat der 48-Jährige nie verhehlt - in Stil und Ehrgeiz ähnelt er Sarkozy. Gegenüber dem zurückhaltend-überlegten Fillon erscheint er lebhafter und aktiver, polarisiert aber auch mehr.
"Gefährliche Rechtswende"
Das Votum gilt nicht nur als indirekte Vorentscheidung für die Präsidentschaftskandidaten-Kür in rund vier Jahren - obwohl es dafür weitere Aspiranten gibt -, sondern auch eine über die weitere Ausrichtung der Partei, die unter Sarkozy einen erkennbaren Schwenk nach rechts machte: Er stand für eine innenpolitisch harte Linie und besetzte bewusst Themen der rechtsnationalen Front National, um diese abzudrängen. Mit wenig Erfolg: Unter Marine Le Pen wurde diese stärker denn je.
Dass Copé diese Richtung fortsetzen würde, machte er mit Warnungen vor einem zunehmenden "anti-weißen Rassismus" in Frankreich klar. Und einer Anekdote, die ein sehr kontroverses Echo fand: Ihm sei zu Ohren gekommen, dass während des Fastenmonats Ramadan junge Muslime französischen Schülern das Schoko-Croissant aus der Hand rissen, um sie am Essen zu hindern. Während ihm Fillon eine gefährliche Rechtswende und "Medienrummel um jeden Preis" vorwarf, verteidigte sich Copé, er stehe für eine "komplexfreie" UMP: "Ich bringe Vorschläge mit einer einzigen Obsession: auf die Sorgen der Franzosen zu antworten, ohne auf das politisch Korrekte zu achten." Er wolle keine lauwarme "Pantoffel-Politik" machen.
Über der Schlacht liegt weiterhin der lange Schatten Nicolas Sarkozys, den sich laut Umfragen 64 Prozent der UMP-Anhänger als Kandidaten für 2017 wünschen - vom Rückzug aus der Politik, den der frühere Präsident nach seinem Wahlverlust im Mai verkündet hat, sind nicht alle überzeugt. Doch weder Copé noch Fillon, die sich trotz Spannungen mit Sarkozy auf ihn berufen, würden wohl freiwillig nochmals den Platz für ihn räumen. Selbst hat sich der Altpräsident nicht geäußert, wem er den Vorzug gibt. Sollte er eine Rückkehr planen, käme ihm ein knapper Ausgang gelegen, durch den keiner der beiden Anwärter eine große Legitimation hätte.