Iran: Die Hardliner wollen eine zweite Amtszeit von Präsident Rohani verhindern.
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Wien/Teheran. Hinter den Kulissen der iranischen Führungsriege brodelt es gewaltig, ein Richtungsstreit über die Zukunft der Islamischen Republik ist ausgebrochen. Denn in fünf Monaten wird ein neuer Präsident gewählt, und es ist noch keineswegs gesagt, dass der neue Präsident wieder Hassan Rohani heißen wird. Oft schon wurde das Wort "Schicksalswahl" für einen Urnengang im schiitischen Golfstaat strapaziert, doch dieses Mal verdient die Wahl dieses Attribut zurecht, denn sie ist in vielerlei Hinsicht wegweisend. Auf der einen Seite stehen, vertreten vom Lager der Hardliner, sture Positionen, Unnachgiebigkeit in der Atomfrage und Isolation. Auf der anderen Seite stehen, vertreten vom Lager der Reformer, eine weiterführende Erfüllung der vereinbarten Maßnahmen in Zusammenhang mit dem Atomdeal sowie eine Öffnung und Annäherung an den Westen.
"Der Slogan ‚Tod Amerika’ bleibt"
Die entscheidende Frage, ob die als moderat geltenden Kräfte unter dem amtierenden 7. Präsidenten Rohani weiter das Zepter in der Präsidentschaftskanzlei und im Regierungsapparat in der Hand halten dürfen oder an die ihnen verhassten Hardliner abgeben müssen, hängt von vielen Faktoren ab. Gewählt wird der Präsident zwar erst am 19. Mai 2017, doch die ultrakonservativen Kräfte sticheln jetzt schon eifrig. "Erspart uns ein zweites Malheur", polterte etwa ein Ayatollah in Teheran in Anspielung darauf, dass bisher fast alle Amtsinhaber wiedergewählt wurden.
Harsche Wahlkampfpropaganda bestimmt täglich auch die iranische Medienlandschaft, harte Bandagen inklusive: "Er hat das Land an den Westen verkauft", "Der Atomdeal hat uns nichts gebracht, denn die Banken machen immer noch keine Geschäfte mit uns" oder "Seht doch, die Amerikaner haben für zehn weitere Jahre unilaterale Sanktionen gegen uns verhängt, das ist ein Bruch des Atomabkommens", lauten die Vorwürfe der Hardliner an Rohani und sein Team. Die beiden mächtigen Freitagsprediger und Rohani-Kritiker Ahmad Jannati und Ahmad Khatami unterstrichen ihre Sicht des Status quo zwischen dem Iran und den USA unmissverständlich. "Wenn einige glauben, dass nun wieder alles in Ordnung ist und wir zur Tagesordnung übergehen und morgen die US-Botschaft in Teheran eröffnet, haben sie sich getäuscht. Der Slogan ‚Tod Amerika‘ bleibt bestehen und unsere Position hat sich nicht geändert", so der Tenor der beiden Ayatollahs.
Angesichts der sich abzeichnenden vorsichtigen Entspannung zwischen dem Iran und den USA nach dem historischen Atom-Abkommen vom 14. Juli 2015 warnten sie Rohani unentwegt vor einer "Verwestlichung". Daher stehe auch eine von Rohani und seinem politischen Ziehvater, Ayatollah Ali Akbar Hashemi Rafsanjani angestrebte Normalisierung der Beziehungen zu Washington nicht auf der Agenda, stellten die Hardliner klar. Rohani versucht dennoch, neue Brücken zum Westen, auch zu Washington zu bauen. Ob das mit dem Präsidentenwechsel von Barack Obama zu Donald Trump so einfach werden wird, bleibt abzuwarten.
Ahmadinejad tritt bei Wahl am 19. Mai nicht an
Wenigstens eines ist jetzt schon (fast) fix. Erspart bleibt den Persern eine erneute Kandidatur des umstrittenen Ex-Hardliner-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad (2005 - 2013), da dieser keine Unterstützung vom religiösen Führer, Ali Khamenei, bekommen hat. Khamenei hat in allen Belangen des Landes das letzte Wort.
Über die Nicht-Kandidatur Ahmadinejads freut sich das ultrakonservative Lager, da Ahmadinejad als Präsident "zu viel Mist gebaut" habe. Die Hardliner bemühen sich umso mehr, gegen Rohani einen geeigneten Präsidentschaftsbewerber aufzustellen. Als möglicher Kandidat wird der Bürgermeister der Hauptstadt Teheran, Mohammad Bagher Ghalibaf, gehandelt. Er war bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2005 und 2013 angetreten. Aber auch andere Kandidaten werden genannt. Einig ist sich der Hardliner-Flügel, dass es keine Wiederwahl Rohanis geben darf.
Wahlgang 2009 und Proteste noch gut in Erinnerung
Noch nicht vergessen ist bei der Debatte in dem 80-Millionen-Einwohner-Staat auch die vorletzte Präsidentschaftswahl 2009: Die dem Reformlager zugerechneten Oppositionspolitiker Mehdi Karoubi und Mir-Hossein Moussavi waren damals offiziell dem Amtsinhaber Ahmadinejad unterlegen. Wie auch viele Wähler warfen sie den Behörden Fälschung vor und weigerten sich, die Ergebnisse anzuerkennen. Die Massenproteste nach der Wahl wurden letztlich blutig niedergeschlagen. Westliche Kritiker sprachen von Wahlfälschung, die Behörden im Iran ließen sich nicht beirren und stellten Moussavi und Karoubi unter Hausarrest.
Die Bevölkerung steht zu einem Großteil hinter Rohani. Genau das ist den Hardlinern ein Dorn im Auge. Das zeigt sich in ihren Reaktionen, etwa wenn Ultrakonservative der Regierung zeigen, wer die Zügel tatsächlich in der Hand hat. Die Zensurbehörde hat in den vergangenen 18 Monaten mehr als 50 Konzerte in letzter Sekunde absagt oder willkürliche Massenverhaftungen und Sittenkontrollen durchgeführt. Ob Rohani sich behaupten kann, hängt auch von der wirtschaftlichen Entwicklung des Iran, der nach wie vor unter den Nachwirkungen der mittlerweile aufgehobenen Sanktionen leidet, ab.
Letztlich wird auch die Unterstützung Khameneis maßgeblich sein. Dieser hat kürzlich betont, dass den USA nicht zu trauen sei und zumindest in diesem Punkt die Ultrakonservativen unterstützt. Wahlempfehlung hat er aber noch keine abgegeben.
Das politische System des Iran