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Behörden wollen Verhaftung des Tschetschenen in Russland klären.
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Wien. Nach der Kritik an der Abschiebung eines tschetschenischen Asylwerbers nach Russland, von dem seither jede Spur fehlt, meldete sich nun der Präsident des Asylgerichtshofs zu Wort: "Wir müssen klären, was es mit dieser Festnahme auf sich hat", sagte Harald Perl am Donnerstag vor Journalisten.
Die Vorgeschichte: Der Mann war 2007 mit seiner Familie aus Tschetschenien geflohen, er hatte angegeben, vom dortigen Regime verfolgt zu werden. Sein Asylverfahren wurde negativ beschieden und ist seit vier Jahren rechtskräftig abgeschlossen.
Autodiebstahl nur ein Vorwand für die Haft?
Als der Mann dann vergangene Woche nach Moskau abgeschoben wurde, empfing ihn die russische Polizei am Flughafen mit den Worten: "Sind Sie Herr I.? Wir haben Sie schon erwartet."
Seither ist es seiner Ehefrau und seinen beiden Kinder - die ebenfalls letzte Woche abgeschoben wurden - nicht gelungen, zu ihm Kontakt herzustellen. Zwar stand der Mann aufgrund von Autodiebstahl auf der russischen Fahndungsliste, die Menschenrechtsaktivistin Svetlana Gannuschkina vermutet jedoch, der wahre Grund seiner Verhaftung sei politische Verfolgung. Seitens des österreichischen Innenministeriums hieß es, man habe nichts von der Fahndung gewusst - allerdings war die Liste im Internet zu finden.
Dem Vorwurf, der Fall sei nicht oder ungenau geprüft worden, widersprach Asylgerichtshof-Präsident Perl am Donnerstag. Die Traumatisierung des Asylwerbers habe während des Verfahrens "sehr wohl eine Rolle gespielt", letztendlich führte diese jedoch nicht dazu, dass ihm Asyl gewährt wurde. Dass der Mann abgeschoben wurde, obwohl ein Antrag auf Wiederaufnahme seines Verfahrens noch offen ist, sei "katastrophal und sehr fragwürdig", so Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen in einer Aussendung, und weiter: "Nachträgliche Rechtfertigungsversuche der Behörden, die sich auf formale Standpunkte zurückziehen, geben kein gutes Bild der Asylpolitik ab." Perl zu diesen Vorwürfen: "Auch ein Gericht steht nicht außerhalb der Gesellschaft und muss Kritik ertragen können."
Und bei aller Kritik am russischen Justizsystem könne man dennoch keinen "Generalverdacht" gegen dortige Behörden erheben. Die weitere Vorgehensweise sei Sache des zuständigen Richters, Perl geht aber davon aus, dass man Kontakt mit der österreichischen Botschaft in Russland sowie NGOs aufnehmen werde. Er glaubt daran, dass in nächster Zeit "sehr viele Informationen" über die Umstände der Festnahme des Tschetschenen in Russland bekannt werden.
"Fall Leonesa" in seiner Gesamtheit behandeln
Auch zu einem weiteren heftig kritisierten Asylverfahren nahm der Präsident des Asylgerichtshofes Stellung: Die 12-jährige Leonesa soll in den Kosovo abgeschoben werden, obwohl sie seit fünf Jahren in Österreich lebt, bestens integriert und Klassenbeste in Deutsch ist. Die Deutschkenntnisse des Mädchens habe man im Bescheid festgehalten, bekräftigte Perl, doch es sei um die ganze Familie gegangen, und deshalb müsse das Gericht den Fall auch "in seinem Gesamtbild" behandeln.
Er betonte überdies, der Asylgerichtshof sei nicht für die Regelung von Zuwanderung zuständig. Dafür gebe es klare gesetzliche Vorgaben sowie eine klare Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: "Zentrale Aufgabe ist es, zu klären, ob jemand verfolgt wird."
Das Bundesamt für Fremdenrecht- und Asylwesen, das 2014 seine Arbeit aufnehmen soll, werde "eine Verbesserung im Rechtsschutz" bringen, aber an der Verantwortung "nichts maßgeblich ändern", so Perl.