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Eigentlich hat jener politische Attentäter, der vor mehr als zehn Jahren den Mordanschlag an dem damaligen Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Leopold Wagner · wenige Monate vor der 1989 stattgefundenen
Landtagswahl · verübte, nicht nur die politische Landschaft in Kärnten sondern in Österreich verändert.
Ohne dieses Attentat hätte der ungemein populäre "Poldi" sozusagen im Handgalopp die SPÖ-Absolute erneut eingefahren, die sein Nachfolger, Peter Ambrozy, dann nur um rund 600 Stimmen verfehlte. Ohne
diesen Anschlag hätte es keinen Landeshauptmann Jörg Haider gegeben, wäre es zu keiner (erstmaligen und bislang einzigen) Abwahl des LH Haider gekommen und hätte dieser, trotz der riesigen Empörung
über seinen "Beschäftigung im Dritten Reich"-Sager, nicht die Möglichkeit erhalten, auf dem politischen Wiener Parkett in die Rolle des Märtyrers zu schlüpfen.
Zehn Jahre später hat also gestern die FPÖ ihr erwartetes "Traumergebnis" in Kärnten erreicht, sie wurde klar stärkste Partei des Landes. Ihre Rosenstingl- und andere Affären haben ihr zumindest beim
gestrigen Urnengang in den drei Bundesländern nicht geschadet.
Der Rücktritt des SPÖ-Kandidaten Michael Ausserwinkler, der bekanntlich der stärksten Partei den Landeshauptmann zugestanden hatte und das mögliche politische Ende des VP-Landeshauptmannes Christof
Zernatto, der die selbst gelegte Latte von 25 Prozent nicht überspringen konnte, interessiert wohl nur am Rande.
Szenarien für diese an sich nicht unerwartete Situation wurden in den letzten Wochen genügend durchgespielt und diskutiert: von schon bestehenden Geheimabsprachen zwischen den Ausserwinkler/Zernatto-
Nachfolgern mit der FPÖ; von einem "Gegengeschäft" blau/rot in Kärnten und dafür rot/blau bei der Wahl · und damit Abwahl des VP-Landeshauptmannes Franz Schausberger · im Salzburger Chiemseehof. Aber
auch, daß die rot/schwarze "Koalition der Verlierer" in Kärnten Haider als Landesvater verhindert und diesen zum Märtyrer macht · wie vorher erwähnt und wie gehabt.
Möglich freilich auch, daß auf Grund des so klaren Kärntner FPÖ-Erfolges die Bundesparteizentralen von SPÖ und ÖVP ihren Freunden in Kärnten lange Leine bei der Landeshauptmannwahl lassen, in der
Hoffnung, Haider dadurch aus der Bundespolitik los geworden zu sein. Es wäre eine trügerische Hoffnung, denn ernstlich darf wohl niemand annehmen, daß beim bevorstehenden · tatsächlich aber schon
begonnenen · Nationalratswahlkampf nicht der FPÖ-Führer die Linie seiner Truppe bestimmt. Und ebenso ist trotz anderer Beteuerungen nicht auszuschließen, daß bei einem entsprechenden FPÖ-Erfolg bei
der Nationalratswahl Haider nicht doch dem "Ruf des Volkes" folgt und vom Klagenfurter Landhaus auf den Wiener Ballhausplatz wechselt; nach dem Motto "erst der Lindwurm, dann der Bundesadler". Der
FPÖ-General Peter Westenthaler hat ja Klima und Schüssel schon empfohlen, sich für die Nationalratswahl "warm anzuziehen".
Klar ist, daß die Kärntner Landtagswahl Auswirkungen auf die Bundespolitik haben wird. Rücken die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP angesichts Kärntens doch noch einmal enger zusammen und bringen ihr
selbst auferlegtes Arbeitsprogramm, sprich Steuerreform, Karenzgeld, Militärbefugnisgesetz, künstliche Befruchtung auf Krankenschein, Besserstellungen für Lebensgefährten · um nur einige Punkte zu
nennen · bis zum "ordentlichen" Wahltermin im Herbst über die Bühne? Oder behält Finanzminister Rudolf Edlinger recht, daß man in einem Wahljahr keine vernünftige Steuerreform · nämlich eine ohne
Wahlzuckerl · zusammenbringen kann und daher die Nationalratswahl doch mit der EU-Wahl am 13. Juni zusammengelegt wird? Erhalten nach Haiders Triumph jene Kreise in der ÖVP wieder Auftrieb, für die
alles, was rot ist, ein rotes Tuch ist und die, koste es, was immer es wolle, eine blau/schwarze Bundesregierung herbeisehnen?
Der Verbalradikalismus führender VP-Funktionäre, etwa der Ausspruch des VP-Klubobmannes Andreas Khol, er habe "schon viele Indianer den Fluß hinunterschwimmen gesehen" (das erinnert an "nur tote
Indianer sind gute Indianer"), könnte ein "Rauchzeichen", um in Khols Indianer-Diktion zu bleiben, sein.
Kärnten hat gewählt · und damit vielleicht jenen Landeshauptmann, den das Land sich verdient. Vergessen ist offensichtlich, in welche Isolation sich Kärnten unter der Regierung Haider I begeben
hatte: Das Tourismusland wurde fast europaweit von Urlaubern gemieden, Wirtschaftskonzerne stornierten geplante Ansiedlungen, was zur auch heute noch wirksamen Folge führte, daß Kärnten das
wirtschaftliche Schlußlicht Österreichs ist. Jörg Haider (oder seine Vasallen) in der Bundesregierung · wer kann denn ausschließen, daß dieser Republik, auch als EU-Mitglied, nicht gleiches
widerfährt?
Die staatstragenden Parteien SPÖ und ÖVP sind nach dem gestrigen Wahlsonntag gefordert. Klimas SPÖ sicherlich noch viel mehr als Schüssels ÖVP.