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Erst die Jobs und dann die Verfassung

Von Walter Hämmerle

Europaarchiv

Österreich setzt sich ehrgeizige Ziele. | Schüssel will die Bürger wieder für Europa gewinnen. | Barroso verspricht volle Unterstützung. | Wien. Der Andrang war beachtlich. Entsprechend dicht gedrängt saßen und standen fast 500 Medienvertreter aus ganz Europa und darüber hinaus, um am Montag vom traditionellen Arbeitsbesuch der EU-Kommission beim amtierenden Präsidentschaftsland Österreich aus Wien zu berichten.


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Pädagogisch geschickt fiel dabei die Raumnutzung des weitläufigen Hofburg-areals aus: Um von der Akkreditierungsstelle zum Pressezentrum zu gelangen, musste man nicht nur umfangreiche Sicherheitskontrollen absolvieren, sondern auch das einstige Machtzentrum eines 50 Millionen Imperiums zur Gänze durchwandern. Die einstige Größe sollte jedem gleich vor Augen geführt werden: Mit kleinen Brötchen würde sich Österreichs Vorsitz im kommenden Halbjahr nicht begnügen wollen.

Entsprechend ehrgeizig präsentierte nach dem Treffen, das aufgeteilt in 10 Arbeitsgruppen über die Bühne ging, Bundeskanzler und Ratsvorsitzender Wolfgang Schüssel mit Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die Schwerpunkte. Und die lauten ganz klar Beschäftigung und Wachstum. Erst an zweiter Stelle folgen die Wiederbelebungsversuche der im Koma liegenden EU-Verfassung.

Österreich will Europa neuen Schwung geben

Nach dem "nicht gerade glücklichen Jahr 2005", so Schüssel mit Verweis auf die ablehnenden Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden, den Terrorattacken in London und dem unwürdigen Gefeilsche um die Finanzvorschau, gehe es nun darum, "Europa neuen Schwung zu geben". Damit dies gelinge, reiche es jedoch nicht, abstrakte Konzepte und Programme zu formulieren. Notwendig sei es vielmehr, konkrete Projekte auf Schiene zu bringen, auf dass die Bürger unmittelbar spürten, was sie von Europa haben.

Die Prioritätensetzung spiegelt sich auch in der zweiteiligen Gliederung des kommenden Halbjahrs wider: Die ersten drei Monate sind ganz dem Thema Beschäftigung gewidmet. Angesichts der Sorgen und Nöte der Bürger "muss Europa hier mehr tun", erklärte Schüssel. Kleine und mittlere Unternehmen, die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie all jene, die zu kurz gekommen seien, sollen dabei besonders im Vordergrund stehen. Die "Kombination von 25 Anstrengungen in den Mitgliedstaaten mit den Bemühungen der Kommission" sollen zum Erfolg führen. Miteinbeziehen will Schüssel dabei auch - analog zum österreichischen Erfolgsmodell - die europäischen Sozialpartner.

"Die Verfassung ist nicht tot"

Die zweite Hälfte der Präsidentschaft ist Wiederbelebungsversuchen der EU-Verfassung gewidmet. Denn für Schüssel ist diese keinesfalls tot, "sondern mitten in einem Ratifikationsprozess".

Kommissionspräsident Barroso kann da nur zustimmend mit dem Kopf nicken. Er verspricht volle Unterstützung der Brüsseler Behörde für die Bemühungen der österreichischen Präsidentschaft. Die heftig umstrittene Dienstleistungsrichtlinie sieht er als wesentlichen Beitrag zum Ziel, neue Jobs zu schaffen. Sobald die diesbezügliche Debatte im EU-Parlament abgeschlossen sei, will er einen abgeänderten Entwurf präsentieren. Für Juni kündigte Barroso einen Vorschlag zur Lösung des Verfassungsstreits an.

Nach der Kommission kommen am Donnerstag die EU-Justiz- und Innenminister zu einem informellen Treffen nach Wien.